“Und ich will nicht irgendwann ins Krankenhaus, ich will nicht an Schläuchen hängen, ich will nicht aus dem Mund sabbern, und ich will nicht dement werden. Ich will als ordentlicher Mensch sterben, so, wie ich gelebt habe.(Ferdinand von Schirrach, Richard Gärtner in “Gott”)

 

Unser Tod soll nicht erschrecken, er soll andere nicht behelligen, er soll selbstbestimmt und friedlich sein. Können wir diese Entscheidung für uns treffen und auf Beistand hoffen? Also: Wahltod statt Qualtod? Nach geltendem deutschem Recht ist dies nicht möglich. Paragraf 217 des Strafgesetzbuches in der Fassung vom Dezember 2015 verbietet die »geschäftsmäßige Förderung« von Suizid. Dagegen haben Ärzte, Privatpersonen, Sterbebegleiter, Sterbeorganisationen, Pfleger und Rechtsanwälte Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Verbot – so die Beschwerdeführer – verletze ihre Grundrechte. Denn wenn der Staat Sterbehilfe verbiete, so verwehre er das Recht auf selbst bestimmtes Sterben.

In seinem zweiten Theaterstück widmet sich Ferdinand von Schirach erneut einem Thema von höchster gesellschaftspolitischer Relevanz. „Gott“ stellt Fragen, die die menschliche Freiheit, Autonomie und Selbstbestimmung betreffen. Fragen, die im Spannungsfeld von Moral, Christentum und Politik seit Jahren unterschiedlich und leidenschaftlich diskutiert werden. Wie schon in „Terror“ muss der Zuschauer seine moralischen und ethischen Wertvorstellungen im Hinblick auf die im Grundgesetz garantierte Würde des Menschen und die moralische Verantwortung jedes einzelnen für jeden einzelnen überprüfen.

Zum Inhalt:

Richard Gärtner möchte sterben. Obwohl er mit seinen 78 Jahren noch kerngesund ist. Er kann keinen neuen Lebenswillen aufbringen, seitdem seine Frau, mit der er 42 Jahre lang verheiratet war, gestorben ist. Gärtner bittet seine Hausärztin um Beihilfe zum Suizid. Die verweigert. Der Fall beschäftigt jetzt den Deutschen Ethikrat. Ferdinand von Schirach, Jurist und Bestsellerautor, nimmt uns mit in die Verhandlung, in der Sachverständige aus Justiz, Medizin und Kirche über das Recht auf einen »ordentlichen« Tod beraten. Welche Rechte hat das Individuum im Umgang mit seiner eigenen Sterblichkeit? Ist es unsere moralische Pflicht, das Leid der Menschen, die unheilbar erkrankt oder unwiederbringlich gebrochen sind, zu verringern, indem wir ihnen einen sauberen Ausweg bieten? Oder ist nicht gerade alles Leben Leiden und das Tragen des eigenen Schicksals eine moralische Pflicht, die wir heutzutage vergessen haben? Wer würde definieren, wer aktive Sterbehilfe bekommen darf und wer nicht? Zur Debatte steht, auch wenn es die ganze Zeit um den Tod geht, eigentlich der Sinn des Lebens. Am Ende stimmen über die Empfehlung des Ethikrats nicht die stimmberechtigten Mitglieder des Rates ab, sondern, wie schon bei »Terror«, das Publikum.

Ferdinand von Schirach neues Stück “Gott“ lässt im Setting einer fiktiven Sitzung des Deutschen Ethikrates die juristischen, ethischen und religiösen Argumente dieser höchst emotionalisierten Gesellschaftsdebatte, die auch durch das Urteil aus Karlsruhe nicht beendet sein wird, in einen Dialog treten.

Nach dem bundesweiten Sensationserfolg von »Terror, sind wir sehr stolz, das neue Stück von Ferdinand von Schirach gleich kurz nach der Uraufführung im Stadttheater Minden zeigen zu können. Schirach setzt damit seine Idee von Theater als gesellschaftlichem Diskursraum fort, in dem die großen Streitfragen unserer Zeit verhandelt werden. Die Zuschauer*innen werden aufgefordert, Stellung zu beziehen.

Vorführungen:

Donnerstag, 17.09.2020 20:00 Uhr, Premiere

Freitag, 18.09.2020 20:00 Uhr

Samstag, 19.09.2020 20:00 Uhr

Sonntag, 20.09.2020 18:00 Uhr

Montag, 21.09.2020 20:00 Uhr

Dienstag, 22.09.2020 20:00 Uhr

 


 

Schauspiel von Ferdinand von Schirach („Terror“)
Regie: MIraz Bezar („Aus dem Nichts“)
Mit Ernst Wilhelm Lenik („Vater“), Klaus Mikoleit („Buddenbrooks“, „Der Zauberberg“ usw.), Karin Boyd („Die Wahrheit“, „Zweifel“), Frank Voß („Tod eines Handlungsreisenden“), Wolfgang Seidenberg („Hexenjagd“, „Zweifel“) u. a.
Produktion: Konzertdirektion Landgraf