Von Andrea Williams

Die Stadt Minden ist in Deutschlands Rapszene ein Begriff. Das liegt zum einen am Künstler Curse, aber auch an seinen einstigen Weggefährten namens „Der Klan“. Der harte Kern dieser legendären Hip-Hop-Formation aus Rappern, Breakern, DJs und Sprühern bestand aus Lord Scan, Italo Reno und Germany. Und dieser Germany bringt nun rund 20 Jahre nach dem einzigen Klan-Album „Flashpunks“ sein zweites Soloalbum heraus: „Der innere Kreis“. Der Familienvater und Hobbyangler sprach mit uns Ende Februar über sein kreatives Schaffen und der Verbundenheit mit seiner Heimatstadt.

Germany im Studio. Foto: the.n8shift/Björn Bultemeyer

 

Was war bislang Dein größter Fisch beim Angeln?
Mein größter Hecht war 1,20 m lang. Einmal fing ich in der Weser einen Zander von 98 cm Länge. Wenn ich das nochmal wiederholen kann, wäre das eine Granate.

Wieso war es musikalisch so lange still um Dich?
Eine ganze Weile hatte ich keinen Bock mehr auf die Musikbranche. Ich hörte auf, davon zu träumen, ein erfolgreicher Rapper zu sein, und zog ein normales Leben vor. Allerdings hatte ich das Gefühl, mit der Musik noch nicht fertig zu sein, und schrieb sporadisch Songs. Eigentlich stand eine neue Klan-Platte im Raum oder zumindest ein Italo Reno und Germany Album, aber das hat sich (noch) nicht ergeben.

Das Produzentenduo Hitnapperz hat Germanys Album produziert. Foto: the.n8shift/Björn Bultemeyer

 

Was hat Dir bei der Arbeit am Album geholfen?
Für mich war es wichtig, völlig unbefangen eine geile Platte zu machen. Das Produzentenduo Hitnapperz schusterte mir Beats hin und machte mir permanent Feuer unter dem Arsch. Positives Feedback von Leuten, deren Meinung ich sehr schätze, pushte mich zusätzlich.

Wieso hast Du Dich für Mindener Produzenten entschieden?
Meine Grundvoraussetzung war, dass ich mit niemand anderem als mit Mindenern arbeite, um unsere Szene nach vorne zu bringen. Ohne die Hitnapperz hätte ich das Album nicht gemacht. Wir haben hier so viel Potenzial und Geschichte. Es gibt Rap, Graffiti, Breakdance, einfach alles! Ich finde es ein bisschen schade, dass sich in der Mindener Szene so viele kleine Camps gebildet haben, die sich untereinander nichts gönnen. Wir sollten uns mehr unterstützen, mehr füreinander tun und mehr miteinander machen. Gemeinsam könnte man viel bewegen. Es wird Zeit, dass wir Minden wieder auf die Karte packen.

Eine starke Kombi: Germany mit Italo Reno und den Hitnapperz. Foto: the.n8shift/Björn Bultemeyer

 

Hast Du Dich deshalb für „Der innere Kreis“ als Albentitel entschieden?
Genau. Ich hätte auch mit anderen populären Künstlern Songs machen können, aber ich will nicht, dass jemand meine Platte hört, weil das Feature eines bekannten Rappers darauf ist. Man wird schnell auf sowas reduziert. Ich will, dass die Leute meine Platte hören. Für den Gesangspart holte ich beispielsweise meine Schwester dazu, für einen Rappart meinen Bruder. Auf der Platte habe ich sogar einen achtminütigen Cypher-Track mit den Mindener Rappern Shogoon, Tacho, Panorama, zero/zero, Clement, Lemmy, Trauma, Stress, Curse, … So einen Song gab es hier noch nicht. Dabei geht es für mich nicht darum, wer den meisten Style hat oder der dickste Rapper ist. Wir ticken einfach für das gleiche Ding. Wenn ich die Möglichkeit habe, auf diesem Weg etwas zurück zu geben, warum sollte ich es dann nicht machen? Und die Jungs denken da ähnlich. Genauso ist dieses ganze Hip-Hop-Ding entstanden, indem sich die Leute einander Liebe gegeben haben. Sonst wäre Hip-Hop niemals so weit gekommen.

Wie hast Du Dich seit Deinem letzten Album 2007 musikalisch weiterentwickelt?
Das letzte Album entstand in einer ganz anderen Lebensphase. Was ich früher als wichtig empfand, ist seit der Geburt meines Sohnes uninteressant geworden. Ansonsten habe ich mich nicht groß verändert. Vielleicht klinge ich inzwischen unbeschwerter, freier. Viele folgen Trends, aber ich mache einfach das, worauf ich Bock habe.

Relaxen im Studio. Foto: the.n8shift/Björn Bultemeyer

 

Wird Deine Platte nur digital erscheinen?
Vorerst ja. Bevor ich auf den Platten sitzen bleibe, könnte ich von dem Geld genauso gut mit meiner Familie in den Urlaub fahren. Bei einer krassen Nachfrage kann ich noch immer eine Platte machen. Am Streaming verdient man zwar nicht viel, aber letztendlich kann man damit wesentlich mehr Leute erreichen.

Wie viele Tracks sind auf Deinem Album?
Elf. Ein Bonustrack wird es vorab nur auf YouTube geben. Der passte nicht zum Rest des Albums. Im Video dazu tanzen die dicksten B-Boys aus Hamburg und Hannover, die Toni von den Hitnapperz klar gemacht hat.

Eine Gastfrage von Shogoon: Wo hast Du Minden raptechnisch zwischen 2000 und 2005 gesehen? Und wie siehst Du Minden diesbezüglich jetzt?
Früher war man ein bisschen in seinem eigenen Musikfilm gefangen. Doch wir haben alles abgecheckt und waren viel unterwegs. Mindens Rapszene hat sich seit damals permanent weiterbewegt und einen eigenen Style entwickelt. Wir haben teilweise einen eigenen Sprachgebrauch und folgen keinen Trends. Das ist cool und wird von den Jüngeren fortgesetzt. Sie sind aktiv und stecken viel Herzblut rein. Darum habe ich auch Bock, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie geben mir Feuer.

Im Studio. Foto: the.n8shift/Björn Bultemeyer

 

Und noch eine Gastfrage, diesmal von Nadel: Wer ist Dein Favorit von Griselda Records?
Boah, das ist schwierig. Ich sag mal: Wenn es ums Cyphern geht, also einfach in Radioshows ein paar Bars zu spitten, finde ich Conway am dicksten. Auf Platten finde ich Benny the Butcher am dicksten. Und wenn es um das Ganze geht, ist Westside Gunn der König. Er will gar nicht rappen, aber macht es irgendwie trotzdem dick. Was Business und Ideen angeht, ist der Mann einfach krass. Sein Dresscode ist immer stylish, aber trotzdem übertrieben Gangster. Griselda Records machen diesen 90s Rap wie früher. Den habe ich lange Zeit vermisst.

Gibt es etwas, das Dich an der heutigen Rapszene stört?
Ich vermisse die Jamkultur von früher. Teilweise fehlt es heute an Wertschätzung für die Vorväter. Daher finde ich Hip-Hop manchmal Scheiße, weil so viel Hate drin ist. Andererseits finde ich ihn so geil, weil er Leuten Selbstbewusstsein gibt. Er hilft Introvertierten, aus sich rauszukommen. Sie fangen mit Malen, Breaken, Rappen oder DJing an und sehen plötzlich ein Talent in sich, das sie nie entdeckt hätten, wenn Hip-Hop nicht da gewesen wäre.

 

 

Bereust Du Deinen Rappernamen Germany?
Ich bin in Deutschland geboren, mein Vater kommt aus der Karibik. Ich bereue den Namen nicht, weil das hier mein Zuhause ist. Keiner muss mir sagen, dass ich hingehen soll, wo ich herkomme. Alles, was ich habe, ist hier. Ich bin stolz auf dieses Land und liebe es. Aber man hat mich nie als Deutscher gesehen. Ich bin mit Vorurteilen groß geworden. Umgekehrt ist es wiederum so, dass man Leuten nicht schwarz genug ist. Den etwas provozierenden Namen „Germany“ wählte ich also bewusst. Auch Leute, die anders aussehen, können stolz darauf sein, aus Deutschland zu kommen und deutsch zu sein.

Ist der Begriff „Stolz“ nicht mit Vorsicht zu genießen?
Alle sagen, dass sie stolz auf ihr Land sind: Holländer, Türken, Araber, … Sollen wir nicht stolz auf unser Land sein? Klar, Deutschland hat eine Vergangenheit, die nicht wirklich positiv ist, aber andere Länder haben auch dunkle Seiten in ihrer Geschichte. Deutschland hat viele gute Sachen gemacht. Warum soll sich jemand für etwas schämen, für das er nichts kann? Wir haben alle Ecken und Kanten, anderen Leuten weh getan, aber wenn ich das ein Leben lang mit mir herumschleppe, bin ich doch verbittert. Da habe ich keine Lust drauf. Es gibt zu viele schöne Sachen. Eigentlich entstand der Name Germany so, dass wir in Mikes (Curse, Anmerkung der Redaktion) Bude in Minden saßen. Er hatte immer den dopesten und neuesten Shit an Platten zu Hause. Irgendwie schnappte ich bei einem Track das Wort Germany auf. Das war für mich der dickste Rappername, da man mich nie als das gesehen hat. Die anderen meinten zwar, ich hätte mich verhört, aber das war wie so ein Funke für mich. So kam der Name zustande. Ich bereue ihn definitiv nicht.

Germany – Der Innere Kreis

 

Möchtest Du abschließend noch etwas erwähnen?
Ich möchte allen Danke sagen, die dabei geholfen haben, dieses Album zu verwirklichen und Interesse daran zeigen. Mir kam die ganze Zeit purer Support und super viel Liebe entgegen. Das finde ich nicht selbstverständlich. Ich versuche nicht zu vergessen, vor allem nicht die Leute, die auch in schweren Zeiten für mich da waren und mich aufbauten. Da bin ich loyal. Wenn sie mich brauchen, bin ich für sie da. Und dadurch wird dein Kreis klein. Das ist auch der Grundgedanke bei „Der innere Kreis“. Der Name bezieht sich nicht nur auf die Musik. Mein Kreis ist kleiner geworden, aber vom Gefühl intensiver.

Germany „Der innere Kreis“ wird ab der Veröffentlichung auf allen gängigen Streaming-Plattformen verfügbar sein.
Germany auf Instagram @denislindahl