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HVRT veröffentlicht neues Studioalbum „The Grief That Feeds The Night“

Gewaltiger Neuanfang

Das Albencover zu "The Grief That Feeds The Night".

Interview: Andrea Williams

Nachdem HVRT mit ihren bisherigen beiden Alben „Intruders“ und „Pyre“ die Grenzen räudigen Geprügels ausgereizt hat, ist die Band anno 2020 – mit mittlerweile zwei Gitarristen auf Quartettgröße angewachsen – härter, schneller, melodiöser aber auch zäher und düsterer als je zuvor. Die Band verlegt auf dem neuen, komplett live eingespielten Album „The Grief That Feeds The Night“ ein ultra-fettes HM-2-Gitarren-Brett, wobei die Westfalen die Grenzen des mit diesem Sound harmonisch Machbaren maximal ausgereizt haben.

HVRT liefert einen einzigartigen Mix aus Blastbeats, zähem Groove, bedrückenden Harmonien und atmosphärischen Soundwänden, der trotz aller Abwechslung wie aus einem Guss erscheint, den Hörer fordert und nicht loslässt. Über all dem Sound-Gewitter thront überlebensgroß die Stimme von Stefan Braunschmidt (u. a. auch bekannt von den Avantgarde-Black/Death-Metallern Raptvre), immer wieder ergänzt und abgelöst durch punkig-assige Vocal-Einlagen von Gitarrist Christian Braunschmidt. Für weitere Abwechslung an der Gesangs-Front sorgen Gastauftritte von Kirill Gromada (Pripjat, Ayahuasca, Raptvre), Guido Donot (Donots) oder Thorn (Necrotic Woods, Raptvre).

Mit „The Grief That Feeds The Night“ legen HVRT ihr bis dato fokussiertestes und konsequentestes Werk vor, das auch textlich – der Albumtitel deutet es an – eine wütende, angepisste und extrem düstere Tauchfahrt in die Tiefen der menschlichen Gedankenwelt ist, den Zuhörer sowohl musikalisch als auch lyrisch fesselt. (PR)

Bandmitglied Christian Braunschmidt stand news – Das Magazin vor dem Release für ein Telefoninterview zur Verfügung.

Neues Bandmitglied, neuer Name, neues Album, neues Label: Seit unserem letzten Interview hat sich bei euch einiges getan. 

Es gibt tatsächlich viele Neuheiten bei uns. Diese Häufung führte letztendlich zum neuen Namen. Von dem ziemlich primitiven Zeug, das wir als Shitshifter umsetzten, haben wir uns musikalisch entfernt. Der neue Name passt jetzt besser. Anfang März spielten wir unser letztes Konzert unter dem Namen Shitshifter. Ein ganzer Haufen weiterer Auftritte sollte folgen. Wegen Corona sahen wir uns lange nicht in echt, da wir mittlerweile über drei Städte verteilt wohnen: Hamburg, Bielefeld und Köln.

Wer hatte die Namensidee?

Als wir in einem Zoom-Meeting einen neuen Namen suchten, schlug Tobi, unser Schlagzeuger, „Hurt“ vor, da gerade das Notenpapier zu Johnny Cashs Song vor ihm lag. Der Name blieb kleben. Freunde bekräftigten uns in der Entscheidung.

Wie stieß euer neuer Gitarrist Florian zu euch?

Flo ist ein langjähriger Freund von uns und ein totaler Metalgitarrist, spielte aber zehn Jahre lang in einer Country-Rockband. Irgendwann hörte er Demos unserer neuen Tracks und fand sie richtig gut. Als wir ihn spaßeshalber zu einer Probe einluden, erschien er tatsächlich. Wir wussten, dass es menschlich mit ihm total gut passen würde. Es stand nur noch die Frage im Raum, ob das auch musikalisch übereinstimmt. Und das tut es. Als Flo im Frühjahr 2019 bei uns einstieg, standen die Songs des neuen Albums im Großen und Ganzen schon. Seine Parts gab es noch nicht. Er spielt nicht einfach nur das, was ich spiele, sondern überlegte sich eigene Parts und schrieb auch viel gemeinsam mit Stefan. Nur der allerletzte Song der Platte, „The Grief That Feeds The Night Pt. 2“, entstand gemeinsam. Wir schrieben ihn innerhalb von 20 Minuten nachts im Studio.

Macht ihr normalerweise alles zusammen?

Bis jetzt war das bei jedem Album anders. Auf dem ersten Album jammten wir zu dritt. Die Songs schrieben wir innerhalb von zehn Minuten. Bei der zweiten Platte schrieb Stefan den Großteil. Nun bei dem ersten HVRT Album schrieben wir fast nichts zusammen. Oft lieferte ich Stefan Rohmaterial. Er schrieb es etwas um, erstellte daraus Arrangements, und so entstanden Songs. Manche Stücke schrieb Stefan auch komplett alleine. Im Proberaum ergaben sich ebenfalls neue Elemente. Wir verfolgten keine ganz straighte Arbeitsweise.

Probt ihr hier in Bielefeld?

Eigentlich proben wir nie, wenn ich ehrlich bin. Wir proben nur, bevor wir ins Studio gehen. Florian und ich standen in den Monaten vor den Aufnahmen jeden Morgen um halb fünf auf und übten für ca. eine Stunde die Songs. Er in Köln, ich in Bielefeld. Wir motivierten uns dabei gegenseitig und bereiteten uns wirklich intensiv zu Hause vor.

Hat euer Album einen roten Faden?

Es ist kein super ausgefuchstes Konzeptalbum. Das ist nicht unser Ding. Die Idee war, dass es eine Art Überthema geben sollte. Der Albumtitel „The Grief That Feeds The Night“ steht für die Dinge, die einen nachts nicht schlafen lassen, wach halten oder gerade nachts in emotionale Bedrängnis bringen. Es gibt zigtausend Gründe, warum man nachts nicht schlafen kann oder gerade nachts anfängt, ganz schön am Rad zu drehen. Im Prinzip ist das so wie eine Art Sammelbecken, wo wir alle möglichen Themen reingeworfen haben. In den letzten beiden Songs versuchten wir, das Ganze etwas mehr auf den Punkt zu bringen. Manche Texte sind ziemlich privat, die dann verklausuliert, kryptisch, nicht ganz offensichtlich sind. Andere Texte sind recht politisch, zum Beispiel die Songs „Zentrum“ und „Heather“. Diese Tracks spiegeln die Bandbreite der persönlichen, politischen sowie sehr gesellschaftskritischen Themen.

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Ihr habt euer Album erneut in der Tonmeisterei Oldenburg aufgenommen. 

Das war von Anfang an klar. Wir arbeiten mit Role schon seit zehn Jahren total gut zusammen, auch mit unseren anderen Bands.

Wie sah die Zusammenarbeit mit den Featuregästen ab? Waren sie vor Ort in Oldenburg?

In der Tonmeisterei nahmen wir wirklich nur die reinen Songs ohne Gesang auf. Stefan nahm seinen Gesang in Köln auf, ich meinen in Bielefeld. Lea Felicitas, die unser Intro spricht, nahm sich in Berlin, Guido von den Donots in deren Studio in Münster und Kirill in Köln auf. Nur Thorn von Necrotic Woods kam zur Aufnahme hier in unseren Bielefelder Proberaum.

Hat das alles gut geklappt?

Ja, das sind Leute, die auf einem professionellen Level arbeiten. Wir ließen ihnen auch viel Freiraum. Lea erhielt beispielsweise nur die Info, wie lang maximal der Spoken Words Part werden darf. Sie kannte das Thema des Albums. Von daher war das kein Problem.

Eure Releases zeichnen sich stets durch krasse Artworks aus. Wie kam die Zusammenarbeit mit Dasha Pliska zustande?

Die Geschichte dahinter ist echt unromantisch. Wir entdeckten die ukrainische Künstlerin über Instagram und fanden ihre Arbeiten echt abgefahren. Ich habe sie einfach angeschrieben und gefragt, ob sie für eine Zusammenarbeit zur Verfügung steht. Eine Reihe ihrer Grafiken waren nicht vergeben. Davon wählten wir eine optisch Passende für unser Albencover aus. Das Layout übernahm Lars Horstmann, ein ganz alter Freund von uns, den man schon als eine Art Bandmitglied ansehen muss, da er immer dabei ist. Bei ihm laufen alle Fäden für das Erscheinungsbild der Band zusammen. Er betreut auch unseren Facebook-Account. Das HVRT Bandlogo stammt vom Engländer Dominic Sohor, der wiederum das Artwork für die letzte Shitshifter Platte „Pyre“ umsetzte.

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Habt ihr einen HVRT Instagram Account?

Ich möchte nicht für die Band sprechen, aber ich persönlich habe nie verstanden, was Bands bei Instagram wollen. Wenn man eine Band wie Behemoth mit unglaublich viel Merchandise ist, macht es natürlich Sinn, dort seine Sachen zu bewerben. Aber ich wüsste nicht, was ich mit meiner Band bei Instagram soll, wenn es nur darum geht, jeden Tag ein lustiges Livebildchen hochzuladen, um Follower zu generieren. Das sollte nicht das Hauptinteresse einer Band sein. Mittlerweile macht mir Instagram überhaupt keinen Spaß mehr, da es zu einer einzigen Dauerwerbesendung geworden ist.

Ihr setzt erneut auf Vinyl. Waren CDs eine Option?

Ich persönlich habe wahrscheinlich seit zehn Jahren keine CD mehr gekauft. Was Musik angeht, höre ich Musik fast ausschließlich über Vinyl. Unterwegs nutze ich natürlich einen Dienst wie Spotify. Dort checke ich neue Musik aus. Wie relevant CDs noch sind, ist natürlich schwer zu beurteilen. Ich glaube schon, dass sie gerade in der Metalszene noch Relevanz haben, da hier noch viele Leute Musik als physisches Medium kaufen wollen. Aber natürlich hat der Verkauf von Vinyl in den letzten Jahren stark zugenommen und Streaming ja sowieso. Wenn du dich hier in Bielefeld in die Straßenbahn setzt, hat jeder Kopfhörer in den Ohren. Ob es sich dabei um Musik, ein Hörbuch oder einen Podcast handelt, kommt letztlich auf das Gleiche raus. Dass man unterwegs ist und was hört, ist einfach total normal geworden.

Wird es eine Releasefeier geben? Stefans Band Raptvre gab ja neulich ein Streamingkonzert. 

Das Team des Streamingkonzerts setzte das mitsamt Ton und Licht extrem gut um. Aber man darf nicht vergessen, dass man dafür einen unfassbar hohen Aufwand betreiben muss. Da ist man im Prinzip von früh morgens bis kurz vor Beginn am Basteln, damit man das umsetzen kann. Und wenn dann beim Stream 150 bis 160 Leute zugucken, wovon vermutlich die Hälfte aus Familie und Freunden besteht, ist das schon irgendwie ernüchternd. Ein unglaublicher Aufwand und ein gewisses Gesundheitsrisiko haben leider keinen so wahnsinnig großen Effekt. Ich stehe diesen Streamingshows relativ skeptisch gegenüber. Mir ist völlig klar, dass man irgendwie alles ausprobieren muss. Das finde ich auch gut. Aber ob ausgerechnet wir das machen werden, haben wir noch nicht entschieden, sehe ich gerade im Moment nicht. An normale Konzerte ist gerade nicht zu denken. Wir nehmen die aktuelle Situation total ernst.

Ist es als Musiker nicht die Hölle, wenn man sein neues Werk nicht live vor Publikum performen kann?

Das trifft vermutlich auf sehr viele Musiker zu, ist absolut legitim und wahrscheinlich auch total gut. Auf mich persönlich trifft das nicht zu, weil die Reaktionen nicht mein hauptsächlicher Motivator sind, Musik zu machen. Ich lese nie Rezensionen zu unseren Alben. Ich mache das ausschließlich für mich, um hinterher ein Album zu haben, das ich richtig gut finde und wo ich das Gefühl habe, dass das, was ich im Kopf hatte, irgendwie musikalisch und thematisch, also textlich umsetzen konnte, so dass das am Ende ein rundes Paket ist. Wenn Leute das dann richtig gut finden, freut mich das natürlich. Aber wenn sie es total doof finden, macht das mit mir nicht so viel, ehrlich gesagt. Daher hat dieses Feedback für mich persönlich keine besonders hohe Relevanz. Natürlich würde ich gerne live auftreten. Ich sehe uns primär als Live- und weniger als Studioband.

Ihr seid nun vom Bielefelder Label „Per Koro Records“ auf das Kölner Label „The Crawling Chaos Records“ gewechselt. Wie kam es dazu?

Markus von Per Koro kenne ich seit 13 oder 14 Jahren. Er brachte die Platte „Pyre“ auf seinem Label heraus, weil er sie gut fand. Wir hatten natürlich keinen Vertrag bei ihm für eine gewisse Albenanzahl. Crawling Chaos brachte bereits die Raptvre Platte heraus, und AYAHUASCA, die andere Band von Kirill, ist auch auf dem Label vertreten. Daher bestand hier schon vorab ein sehr guter Kontakt. Der Betreiber fand unsere neue Platte so gut, dass er sie auf jeden Fall herausbringen wollte. Dadurch, dass unser Sound atmosphärischer und metallmäßiger geworden ist, passt er gut zu dem Label. Das heißt aber nicht, dass wir auf irgendeine Art und Weise ein schlechtes Verhältnis zu Per Koro hätten. Ganz im Gegenteil. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Was steht als nächstes bei euch an?

Wir haben zwei Lyric Videos („Moralists“ und „Zentrum“) mit zwei unterschiedlichen Leuten gemacht (Red Right Hand/Eugen Lyubavskyy und Brainthrill Studio/Noel Auch). Ursprünglich wollten wir richtige Videos drehen, aber weil das in der aktuellen Situation relativ schwierig ist, umzusetzen, und uns die Textebene bei diesem Album richtig wichtig war, fanden wir Lyric Videos gar nicht so verkehrt.

„The Grief That Feeds The Night“ erschien am 25.9. auf The Crawling Chaos Records und ist als Vinyl sowie auf allen Streaming- und Download-Portalen erhältlich.

Mehr Infos zu HVRT gibt es unter facebook.com/hvrtband