AllgemeinLifestyleMt

Interview mit Christoph Barre – „Bier lebt von Geselligkeit“

Die Corona-Pandemie macht es auch den Brauereien schwer. Christoph Barre spricht im Interview über die Zukunft der gesamten Branche.

Sudhaus

Von Carsten Korfesmeyer

Herr Barre, es gibt Meldungen über Brauereien, die ihr abgelaufenes Bier zurzeit vernichten mussten. Liegt das alles an Corona?
Diese Meldung bezieht sich ausschließlich auf Fassbier und ist mit dem anhaltenden Lockdown zu begründen. Die Anlässe und Orte, bei denen Fassbier angestochen wird, fallen seit Monaten weg. Glücklicherweise hält sich die Biervernichtung bei uns bisher in Grenzen. Wenn die Gastronomie aber nicht bald öffnet, wird es vermutlich unvermeidbar.

Die Gastronomie ist vorübergehend geschlossen. Aber trinken die Menschen dadurch zwangsläufig weniger Bier?
Bier lebt von Geselligkeit. Dazu zählen Gastronomiebesuche, Familien- und Firmenfeiern sowie Sport- und Kulturevents. Auf all dies muss unsere Gesellschaft derzeit verzichten und das spiegelt sich extrem im Bierabsatz wider.

In vielen Branchen werden nicht realisierte Kaufentscheidungen lediglich in die Zukunft verschoben. So wird z. B. der Kauf eines Küchengeräts oder eines Autos, welcher in diesem Jahr nicht vollzogen wird, später nachgeholt. Das Gleiche gilt erst recht für Investitionsgüter. Dieser Wirkungszusammenhang ist eine wichtige Triebfeder für den Aufschwung, der in der Regel jeder Krise folgt. Beim Produkt Bier ist das aber komplett anders: Der Umsatz für ein Bier, dass nicht gekauft bzw. getrunken wird, ist für alle Zeit vergeben – d. h. es gibt bei uns keinerlei Nachholeffekt!

Welche Probleme sehen Sie auf Ihre Branche langfristig zukommen? Kehrt vielleicht die Geselligkeit in den Kneipen nicht mehr zurück?
Bis sich die Brauwirtschaft von dieser Krise erholt hat, wird es seine Zeit dauern. Die Gefahr, dass die Geselligkeit verloren geht, sehen wir jedoch nicht. Im Gegenteil. Es wird Veränderungen in der Gesellschaft und im Freizeitleben geben. Aus jeder Krise gehen neue Entwicklungen heraus.

Das Gastgewerbe hat bereits im vergangenen Jahr bewiesen, dass es durch Hygienemaßnahmen und hohe Sicherheitsstandards einen sicheren Besuch ermöglichen kann. Zugleich wächst der Wunsch der Menschen nach Normalität. Wir rechnen mit einer großen Euphorie der Menschen, das Freizeitleben zurückzugewinnen und guten Zulauf ins Gastgewerbe, sobald es wieder möglich ist.

Brauwelt Barre Bräu von Außen

Kann der Lebensmittelhandel den Umsatzrückgang der Gastronomie womöglich auffangen?
Wir erkennen einen Trend Richtung Heimkonsum unserer Produkte. Da aber rund 30 Prozent unseres Flaschenbieres in der Gastronomie verkauft wird, was zu einem Großteil durch die Pandemie entfällt, wird dieser positive Effekt überkompensiert. Die Folge ist, dass wir leider auch beim Flaschenbier in der Summe eine negative Entwicklung verzeichnen. Es steht ohne Frage fest, dass jene Brauereien, die über einen hohen Fassbieranteil verfügen, am stärksten unter der Corona-Krise zu leiden haben.

Ihre Brauerei ist auch sehr eng mit geselligen Events in der Region verbunden. Allein schon durch das jährliche Bierbrunnenfest. Sehen Sie eine Chance für 2021?
Wir werden die Entwicklungen realistisch beobachten und bewerten. Viele Veranstaltungen bei uns in der Region, die im selben Zeitfenster wie unser Bierbrunnenfest liegen, wurden vorzeitig bereits abgesagt.

Eine Durchführung des Bierbrunnenfestes, wie wir es bisher kannten, ist nach aktuellem Stand nicht zu erwarten. Bevor es offiziell abgesagt wird, prüfen wir mit dem Veranstalter KWB und der Stadt Lübbecke, ob es Alternativen gibt, dieses historische Datum zu feiern. Hier ist die weitere Entwicklung zunächst abzuwarten.

Wie sehr hat die Menschen die Absage des Bierbrunnenfestes 2020 emotional getroffen? Gab es viele Rückmeldungen?
Wir hätten uns gefreut, wenn wir das Bierbrunnenfest mit den Menschen in der Region hätten feiern dürfen. Jedoch war die Veranstaltungsabsage alternativlos. Da alle Veranstaltungen in der Größenordnung auf Kreisebene untersagt waren, haben die Menschen damit gerechnet. Damals war man mehr als optimistisch, dass man in diesem Jahr gemeinsam die Tradition fortsetzten kann.

Hat sich das Verhalten der Deutschen beim Biertrinken in den letzten Jahren verändert?
Der Bierkonsum in Deutschland ist weiter rückläufig. Im vergangenen Jahr ist der Verbrauch pro Kopf von 99,7 Liter (2019) auf 95,0 Liter (2020) gesunken. Schauen wir auf die letzten 10 Jahre, ist der Bierkonsum um 13 % gesunken und über die letzten 30 Jahre sogar um 34 %.

Vor gut 45 Jahren wurden pro Kopf noch gut 150 Liter im Jahr Bier getrunken. Zu begründen ist die langfristige Entwicklung maßgeblich mit dem demografischen Wandel und der sprunghafte Rückgang im letzten Jahr mit der fehlenden Geselligkeit, die durch die Pandemie-Maßnahmen stark bis komplett eingeschränkt ist. Bier lebt von Geselligkeit und die wünschen wir uns alle zurück.

Welche Produkte kommen besonders gut an?
Bestärkt hat uns im vergangenen Jahr das Feedback zu unserem Neuprodukt „Keller 1842“, das seit Mai 2020 unser Sortiment ergänzt. Trotz der nur sehr begrenzten verfügbaren Marketing-Instrumente konnte das Produkt einen geradezu fulminanten Start hinlegen. Mit der naturtrüben Bierspezialität haben wir ganz offenbar den Nerv vieler Verbraucher getroffen. Diese Zusatzumsätze waren im Corona-Jahr 2020 eine große Hilfe und zeigen uns, dass wir mit dem Produkt den Geschmack der Kunden getroffen haben.

Christoph Barre

Worauf führen Sie die wachsende Nachfrage auf alkoholfreie Biere zurück?
Das steigende Gesundheitsbewusstsein und die gesunkene Promillegrenze für Autofahrer haben in den letzten 10 Jahren zu einer erhöhten Nachfrage zu alkoholreduzierten und alkoholfreien Produkten geführt. Zu den Kunden zählen insbesondre auch Frauen und eine junge Zielgruppe. Gerade in den letzten Jahren haben die alkoholfreien Produkte in den extrem guten Sommermonaten besonders punkten können.

Viele Gastronomen nutzen die vorübergehende Zwangspause auch, um ihre Räumlichkeiten zu renovieren. Was erwartet Ihre Gäste, wenn Barre`s Brauwelt wieder öffnet? Gibt es Neuerungen?
Im Kundenkreis gibt es ein paar, die den Zeitraum der Zwangsschließungen für Renovierungen nutzen. Viel mehr beobachten wir jedoch, dass die Kunden sich verstärkt mit ihrem Onlineauftritt beschäftigen und ihre Aktivitäten in den sozialen Medien ausbauen, da dies seit Monaten häufig der einzige Weg ist, um mit den Kunden in Kontakt zu bleiben und sich zu präsentieren. Auch wir nutzen die Zeit derzeit und beschäftigen uns mit möglichen Anpassungen für einen erfolgreichen Restart der „Barre`s Brauwelt“ – unserem Braueigasthaus, welches gemeinsam mit unserem Brauereimuseum in den historischen Gewölbekellern der Brauerei beheimatet ist.

Verraten Sie uns Ihr Lieblingsbier?
Das kommt ganz auf die Situation und das Umfeld an. Jedes Bier zu seiner Zeit.

Wie verbringen Sie zurzeit Ihre Freizeit?
Naturgemäß verbringe ich aktuell viel Zeit zu Hause im Kreis der Familie und an der frischen Luft mit unserem Familienhund.

Was machen Sie als Erstes, wenn Corona vorbei ist?
Mit Freuden ein frisch gezapftes Bier in der Gastronomie genießen. Ein Traum, den ich sicherlich mit vielen in der aktuellen Zeit teile.

(Anmerkung: Das Interview wurde schriftlich geführt.)