Im Norden von Petershagen gibt es einen Gnadenhof für Hunde, Katzen, Pferde, Tauben, Kaninchen oder Schwäne. Für die Eigentümer ist dieses Domizil eine Lebensaufgabe – und vor allem eine Herzenssache. Wir haben die Farm in Ilvese besucht.

 

Ally Salzmann hat nahezu jedem Tier auf ihrem Gnadenhof einen Namen gegeben. Bei den aktuell etwa 2000 Bewohnern ist das eine stramme Leistung und die 37-Jährige spricht von „ihren Babys“, die allerdings meist hochbetagt sind. Fünf Hunde, 52 Kaninchen, 33 Katzen, einige Esel, zig Hühner und vor allem jede Menge Tauben leben auf dem 12 000 Quadratmeter großen Areal im Brokenkamp 2 in Petershagen-Ilvese. „Wir haben auch eine Gans, die sich den Flügel gebrochen hatte“, sagt sie beim Vor-Ort-Gespräch mit news – Das Magazin. Dann zeigt sie auf das Pony, das sich vor einiger Zeit die Schulter gebrochen hatte und erzählt von der Stute, die so unheilbar krank ist, dass sie in der kommenden Woche eingeschläfert werden muss. „Ich werde in dem Moment bei ihr sein“, sagt Ally Salzmann.

Sie kennt das Schicksal jedes ihrer Tiere. Viele sind aus schlechter Haltung, manche wurden sogar amtlich beschlagnahmt und dann zu ihr gebracht. Oft ist es aber auch so, dass die Besitzer mit den Tieren überfordert waren. Auf jeden Fall bewahrt die Gnadenhof-Betreiberin alle vor dem sicheren Tod. Keines ihrer „Babys“ wäre noch am Leben, gäbe es Ally Salzmann nicht. Auch nicht die beiden Schwäne mit den amputierten Flügeln, die in freier Wildbahn längst elendig verendet wären. Verstorben wären ebenfalls die kleinen Esel, die fröhlich ihr Heu futtern und die fünf weißen Mastputen hätten ihr Leben längst hinter sich, würde die Petershägerin ihnen nicht täglich Futter geben.

Allys Gnadenhof

Es sind viele Wege, auf denen die vielen Tiere das idyllisch gelegene Gelände im Norden der Stadt erreichen. Bundesweit treffen sie dort ein und auf dem Gnadenhof dürfen sie bis ans Lebensende bleiben. Sie bekommen Nahrung, eine artgerechte Haltung und vor allem auch eine überdurchschnittliche tierärztliche Versorgung. Ally Salzmann erzählt von den regelmäßigen Besuchen der Tiermediziner oder von ihrem guten Draht zur Tierklinik im Kalletal. Jeden Tag sei sie ohne Pause für die Katzen, Hunde, Esel, Hühner, Pferde, Ziegen oder Schafe da. „Mein Mann und ich haben hier einen 18-Stunden-Tag.“

Jens Salzmann ist hauptberuflicher Orgelbauer und studierter Architekt, hat seine Werkstatt ebenfalls auf dem Hof. Er ist auch immer im Einsatz und wie sehr er das Engagement seiner Frau unterstützt, ist auch ohne große Worte spürbar. Schon bei ihrem ersten Date hatte die gebürtige Dormagenerin dem gebürtigen Dortmunder unmissverständlich klar gemacht, dass sie sich für Tiere einsetzt und dort im Leben einen Schwerpunkt setzt. „Mir hat diese Einstellung sofort gefallen“, sagt Jens Salzmann. Ob ihm seinerzeit allerdings bewusst war, wie ernst das seine künftige Frau meinte, lässt er offen.

Allys Gnadenhof

In der Tat braucht es ein wenig, um Ally Salzmann und ihren Einsatz für die Tiere richtig einzuordnen. Sich 365 Tage rund um die Uhr um Tiere zu kümmern, scheint im heutigen Zeitalter zunächst unmöglich. Ebenso, dass sich die Eheleute keinen Urlaub gönnen, in aller Regel einen 18-Stunden-Tag haben, auf Freundschaften und andere Kontakte weitgehend verzichten und auf ihrem Hof einfach „ihr Ding“ machen. Beide erzählen außerdem von regelmäßigen entstehenden Kosten, die bei jedem Normalverdiener sofortige Schnappatmung auslösen dürften. Jens Salzmann sagt aber offen, dass diese Beträge aus der eigenen Kasse nicht endlos bezahlt werden konnten. 2018 hat sich das Paar daher entschlossen, den Verein „Allys kleine Farm“ ins Leben zu rufen. Seither sind Spenden möglich – und auch sehr willkommen.

Wie sieht der Arbeitstag auf der Farm aus? „Der beginnt immer um fünf Uhr früh“, sagt der 41-Jährige. Zusammen mit Mitarbeiterin Katy Pohlmann und den beiden Bufdis gelte es dann zu füttern und sauber zu machen. Je nach Stand der Dämmerung muss dann das Geflügel rausgelassen werden und bis etwa Mittag sei man dann allein mit dem Saubermachen beschäftigt. Fütterung steht selbstverständlich auch an – und Ally Salzmann erzählt davon, dass sie bei der Nahrung ganz großen Wert auf Qualität legt. Allein 300 Rundballen an Heu rollen jedes Jahr an. Dazu kommt noch jede Menge mehr. Alles wird geliefert. „Manchmal klingelt bei uns auch um zwei Uhr nachts das Handy, weil uns jemand ein Tier bringen möchte“, sagt sie. Feierabend ist nie. Dafür sind die Eheleute permanent auf Stand-by.

Allys Gnadenhof

Ally und Jens Salzmann sind zweifelsohne Idealisten. Auf manche dürften sie ungewöhnlich wirken, aber die haben sich womöglich nicht die Mühe gemacht, sich tiefer mit den beiden zu beschäftigen. Denn in den Eheleuten schlägt ein Herz für Tiere, dass fast schon wie selbstlos getaktet ist. „Man gibt sich selber auf“, sagt Ally Salzmann.

Erschreckt so ein Satz? Nicht, wenn man es mit zwei Menschen zu tun hat, die ihre Berufung gefunden haben. Vor neuneinhalb Jahren haben sie das ländliche Anwesen gekauft, renoviert und zu dem gemacht, was es heute ist. „Anfangs wollten wir hier nur mit unseren Pferden sein“, sagt Ally Salzmann. Dass daraus mittlerweile weit mehr wurde, habe sich „einfach ergeben“. Glücklich sind die zwei auf jeden Fall.

Und wo liegt der grundsätzliche Unterschied zum Tierheim? „Wir vermitteln keine Tiere an neue Besitzer“, sagt die Farm-Chefin. Ist auf dem Areal beispielsweise ein „Tag der offenen Tür“ würden jegliche Anfragen in dieser Richtung abgelehnt. Die Tiere sollen auf dem Areal in aller Ruhe ihre Lebensabende verbringen und vor allem die Zeit auch gemeinsam verbringen. Denn unter den Katzen, Pferden, Eseln, Hühnern oder Schwänen bestehen durchaus Freundschaften. Diese zu zerstören, würde Ally Salzmann nie in den Sinn kommen.

Allys Gnadenhof

Was steht als nächstes an? Die Eheleute gehen auf den Berg mit Schottersteinen, die besonders den Shetland-Ponys als Spielwiese dienen. Sie zeigen von dort auf den künstlichen Teich, den zurzeit die Firma Twele für den Gnadenhof baut. „Wir müssen nur das Material zahlen“, sagt Ally Salzmann. Noch lange nicht fertig ist auch der Zaun, der das Gelände besonders gegen Feinde der Tiere sichern soll. Denn die gibt es nach Worten der Chefin leider auch. Doch die Zahl der Menschen, die ihren Einsatz für die Tiere bewundern, überwiegt. Die Salzmanns freuen sich über jede Unterstützung, die sie für ihre Farm bekommt. Und erst vor wenigen Wochen durfte sie sich über eine Spende der Rebenkompanie des Mindener Bürgerbataillons freuen. Jede Hilfe treibt die Philosophie des Gnadenhofs voran.

Der Gnadenhof „Allys kleine Farm“ befindet sich im Brokenkamp 2 in 32469 Petershagen. Sämtliche Infos gibt es unter Telefon (01 72) 9 06 53 78 sowie per E-Mail unter verein@allys-kleine-farm.de sowie auf Facebook. Spenden sind willkommen – auch Sachspenden wie Futter, Gemüse, Salat, Obst oder gut erhaltenes Zubehör.

www.allys-kleine-farm.de