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Wohnen mit „Yin und Yang“

Interview: Bauingenieur Sven Schrader (51) befasst sich mit ganzheitlichem Bauen und setzt auf Feng-Shui. Wie das wirkt, hat er selbst erlebt.

Von Carsten Korfesmeyer

Feng-Shui – das ist eine etwa 4000 Jahre alte Harmonie- und Weisheitslehre aus China. In dieser dreht es sich darum, das eigene Umfeld so optimal wie möglich zu gestalten und anschließend zu erleben. „Das betrifft natürlich besonders den Wohn- und Arbeitsraum“, sagt Sven Schrader. Der 51-Jährige ist Bauingenieur und geht bei der Gestaltung von Häusern und Wohnungen auf diese Lehre ein. Er entwickelt individuelle Lösungen und lebt den ganzheitlichen Gedanken. Feng-Shui und Architektur sind bei dem Mindener fest miteinander verknüpft. Danach arbeitete und lebte Sven Schrader aber nicht immer. Wie er die Harmonielehre in seinen beruflichen und privaten Alltag integriert hat, erzählt er im Interview mit News – Das Magazin.

Sven, Feng-Shui und ganzheitliches Bauen: Was steckt dahinter?

Jeder Mensch wohnt anders und so wie man wohnt, zeigt sich das Spiegelbild des eigenen Seins. Also einfach ausgedrückt sollte das eigene häusliche Umfeld ideal auf die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zugeschnitten sein, damit diese auch in Erfüllung gehen können. Dadurch fühlt man sich automatisch wohl und entwickelt sich in die gewünschte Richtung. Das steckt hinter dem Feng-Shui-Gedanken. Alles muss ausgeglichen und in Einklang sein.

Wie kann ich mir diesen Gleichklang denn vorstellen?

Hinter jeder Einrichtung steht ein Mensch, der sein Haus oder seine Wohnung ganz auf sich bezogen gestaltet hat. Ist ein Lebensbereich – beispielsweise Gesundheit, Partnerschaft, Erfolg nicht ausreichend oder zu stark vorhanden, entsteht ein Ungleichgewicht, das Leben ist nicht mehr ausgewogen, wenn man sich zum Beispiel zeitlich zu sehr der Arbeit widmet, bleibt eventuell die Familie auf der Strecke.

Aber wie wirkt sich das nach der Feng-Shui-Lehre aus?

Die Energie kann nicht mehr gleichmäßig in allen Lebensbereichen fließen, der Mensch beziehungsweise das Leben des Menschen ist nicht mehr im Gleichgewicht. Hier kann das Unterbewusstsein der jeweiligen Person durch beispielsweise eine neue Zimmeraufteilung, eine Neuausrichtung der Möbilierung oder allein schon durch eine andere Farbwahl einzelner Wände in den Räumen positiv beeinflusst werden, das fehlende Glück im jeweiligen Bereich kehrt zurück. Feng-Shui kennt insgesamt acht Energiebereiche, die übrigens den einzelnen Himmelsrichtungen zugeordnet sind, und ich versuche, diesen Gleichklang herzustellen, indem ich den Kunden kennenlerne und dann entsprechend berate. Manchmal reichen schon kleine wohnliche Veränderungen, um einiges zu erreichen.

Oder wenn man neu baut?

Dann lässt sich mit dem ganzheitlichen Bauen natürlich am meisten erreichen. Prinzipiell lassen sich aber auch bestehende Immobilien auf die jeweiligen Bedürfnisse der dort lebenden Menschen zuschneiden beziehungsweise durch teilweise kleine und einfache Mittel umgestalten.

Du hast diesen fehlenden Gleichklang selbst schon erlebt.

Das ist so und liegt rund vier Jahre zurück. Damals habe ich während eines Urlaubs einen Bandscheibenvorfall erlitten, der operiert werden musste. Von jetzt auf gleich war ich gezwungen, von 120 auf null herunterzufahren. Ich habe in dieser Zeit bitter merken müssen, dass ich mein Leben bis dahin zu sehr auf die Arbeit ausgerichtet hatte und dadurch andere Dinge vernachlässigt habe – beispielsweise die eigene Gesundheit. Ich war plötzlich gezwungen, nichts mehr tun zu können.

Dann hast du dich mit Feng-Shui beschäftigt und das auch studiert.

Genau. Ich habe mich mit der Harmonielehre befasst und versucht, danach zu leben. Ein bisschen dazu beigetragen hat sicherlich auch die Coronazeit, in der ja das öffentliche Leben sehr zurückgefahren wurde. Ich bin in der Zeit des Öfteren spazieren gegangen, habe über vieles in meinem Leben nachgedacht und in dieser Zeit ist der Gedanke der Neuausrichtung entstanden.

Was ging dir so alles durch den Kopf?

Durch diese Phase habe ich eine andere Lebenseinstellung bekommen und innerlich tatsächlich zur Ruhe gefunden. Früher musste es immer Vollgas sein, heute kann ich es auch mal langsamer angehen lassen. Ich bin im wahrsten Sinne viel ausgeglichener als früher und das hat sich letztlich gesundheitlich bemerkbar gemacht.

Inwiefern?

Ich kann heute wieder wunderbar viele km am Stück joggen und selbst mein Asthma, das ich als Dreijähriger bekam, ist mit meiner Lebensumstellung komplett verschwunden. Mir macht es nicht einmal mehr etwas aus, wenn ich im Sommer im Feld an einem Mähdrescher vorbeikomme. Noch vor Jahren war das allergiebedingt undenkbar. Ich lebe sozusagen ein neues Ich.

Du sagst, du gestaltest ein Haus so, wie jemand sich sein Leben wünscht beziehungsweise erträumt. Wie gehst du vor?

Ich versuche, die Menschen die mit mir zusammenarbeiten möchten, so gut wie möglich kennenzulernen und dafür komme ich zu ihnen nach Hause. An der vorhandenen Gestaltung der Wohnung kann man oftmals schon erkennen, welche Lebensbereiche eventuell zu wenig ausgeprägt sind. Nun spreche ich mit meinen Kunden und erfahre dann, was Ihnen in Ihrem Leben fehlt, wichtig ist beziehungsweise welche Ziele diese Person verfolgt.

Und daraus strickst du dann das ideale Wohnumfeld?

Ich stelle mit dem Bagua (chinesischer Lageplan zur Bestimmung der neun Lebensbereiche) die Energiebereiche des Haus- beziehungsweise Wohngrundrisses sichtbar dar und gebe anschließend Ratschläge und Ideen zur idealen Wohnungsgestaltung, die Umsetzung muss selbstverständlich vom Kunden kommen.

Hast du da ein Beispiel?

Ich habe mal eine Dame kennengelernt, der fehlte die Energie des Metallbereiches. Sie konnte keine begonnene Aufgabe zu Ende bringen. Grund war, dass Sie keine Gegenstände aus Metall mochte. Da kann ich ja nicht vorschlagen, dass sich die Dame Edelstahlmöbel in ihr Haus stellt, hier müssen dann andere Lösungen gefunden werden. Auch Einrichtungen müssen manchmal umgestellt werden, in Schlafzimmern sind zum Beispiel Betten falsch positioniert, wenn sie auf Wasseradern stehen. Räume ohne ausreichende Belichtung können den Bewohnern einiges an Energie nehmen. Um Räume zu harmonisieren, spielen Farben, Formen und Materialien eine gewichtige Rolle, diese sollen mit den jeweiligen Energiebereichen in Resonanz gehen. Wer für sich das Gefühl hat, ein angenehmes Umfeld zu haben, ist glücklicher und zufriedener. Das wirkt sich seelisch, aber auch körperlich aus. Man kann also sagen: Wir gestalten die Räume und die Räume gestalten anschließend uns.

Du bist seit 2000 selbstständig in deiner Branche tätig und hast zig Häuser gebaut. Gehst du heute anders an einen Neubau als noch vor Jahren?

„Natürlich habe ich schon vorher mit Leidenschaft neue Häuser entworfen und gebaut sowie Bestandsimmobilien saniert. Und selbstverständlich wurden auch damals die Lebensumstände der darin lebenden Personen in die Architektur miteinbezogen. Aber Feng-Shui hat die Sichtweise noch intensiver darauf gelegt, dass der Gleichklang, die Harmonie sowohl im Grundriss als auch in der Gestaltung der Räume stimmen muss. Es geht ums Bauen und Einrichten, aber in erster Linie darum, dass sich die Menschen wohlfühlen. Ich habe selbst gespürt, wie wichtig das ist. Diese Erfahrung möchte ich weitergeben. Ich möchte Menschen dem Glück ein Stück näher bringen.“

Hintergrund: Feng-Shui

Feng-Shui bedeutet übersetzt „Wind und Wasser“ und ist eine taoistische Harmonielehre aus China. Ziel ist die Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung, die durch eine Gestaltung der Wohn- und Lebensräume erreicht werden soll.

Die Prinzipien des Feng-Shui können auch bei der Hausarchitektur, der Wohnungs- und Zimmereinrichtung, der Landschaftsgestaltung und der städtebaulichen Planung berücksichtigt werden. Die Raumgestaltung und Baugestaltung erfolgt nach verschiedenen Regeln, die sicherstellen sollen, dass sich „verstockte Energien“ nicht in diesen Räumen festsetzen können und das „Chi“ frei fließen kann.

Feng-Shui basiert auf chinesischen Philosophiesystemen, wie der Yin-und-Yang-Lehre, den nach den Himmelsrichtungen ausgerichteten Acht Trigrammen sowie der Fünf-Elemente-Lehre. Seit einigen Jahren erfahren die Lehren des Feng-Shui auch zunehmendes Interesse in der westlichen Architektur und Innenarchitektur – es ist auch ein Verschmelzen mit westlicher Ideen der Esoterik zu beobachten. (Quelle: wikipedia.de)

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