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Vom Schuttloch bis zur Rohstoffwiederverwertung

Wohl nur wenige Branchen haben ihr Erscheinungsbild in den vergangenen Jahrzehnten so sehr verändert wie die Abfallwirtschaft. Entsorger und Deponien leben heute eine nachhaltige Philosophie und sind damit noch lange nicht fertig. Der Blick Richtung Zukunft zeigt viel Gutes.

Fotos: Klemen Misic – stock.adobe.com

Von Carsten Korfesmeyer

Schmissen die Menschen ihren Müll früher einfach nur weg, herrscht heute eine andere Philosophie. Die Abfälle werden getrennt und ihre Rohstoffe kommen möglichst komplett der Wiederverwertung zu. „Dem Wertstoffkreislauf zuführen“ nennen das die Experten und das erklärte Ziel der Zukunft heißt „Null Müll“. Das könnte perspektivisch dazu führen, dass auf den Deponien überhaupt keine Abfälle mehr dauerhaft gelagert werden. Noch ist das Zukunftsmusik, doch die Branche tut längst allerhand dafür, um in Sachen Müll möglichst nachhaltig unterwegs zu sein. Schwierigkeiten machen allerdings die Menschen. Zu viele verhalten sich beim Müll immer noch falsch.

So sieht der Idealfall aus. Alle Abfälle landen fein sortiert in der Biotonne, im Restmüll oder in der Gelben Tonne. Später kommen ihre Rohstoffe recycelt einer neuen Bestimmung zu. So wollen es die Theorie und der Gesetzgeber, in Wahrheit zeigt sich noch zu oft ein anderes Bild. Kunststoffe und Dosen stecken in Grünabfällen, Batterien im Biomüll oder Essensreste in der Gelben Tonne. Auf den Deponien stehen die Experten der Abfallwirtschaft zu oft vor dem Problem, dass der Müll falsch getrennt ist und die ideale Verwertung blockiert wird. Mühsam müssen die Anlagen dann beheben, was die Verbraucher verursacht haben. Allerdings ist das Bewusstsein aus der Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten besser geworden. Es zeigt sich zumindest, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist.

Im Norden der Gemeinde Hille befindet sich die Deponie „Pohlsche Heide“. Dort landen beispielsweise die Abfälle aus dem Mühlenkreis und aus mehreren Nachbarkommunen. Gläser kommen in die Glasrecyclinganlage des Unternehmens PreZero in Lahde und im Heizkraftwerk in der Mindener Karlstraße wird Wärme produziert – aus allem, was von der Deponie „Pohlsche Heide“ nicht mehr dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden kann. Jeglicher Abfall hat also seine eigene Bestimmung. Es zeigt sich ein ganz anderes Denken als noch vor Jahrzehnten. Müll gehört nicht einfach weg, sondern ist ein wertvoller Rohstoff. Zumindest für die Firmen der Abfallwirtschaft.

Für den Bürger sind Abfälle in der Regel wertlos. Auf der Pohlschen Heide ist das anders. Dort holt man das Letzte aus dem Müll heraus. Selbst viele Reste, mit denen sich nichts mehr herstellen lässt, sind immer noch zur Energiegewinnung zu gebrauchen. Brennen sie gut, landen sie im Mindener Heizkraftwerk, wo aus ihnen Energie für Wärmeversorgung entsteht. Nur was dann noch übrig ist, kommt auf die Deponie. Das sind beispielsweise Schlacke, Bauschutt oder Stoffe aus dem Hausmüll, die biologisch so weit behandelt sind, dass sie im Boden keinen Ärger mehr machen können – und ohne Probleme endgelagert werden können. Das klappte nicht immer so einfach.

Auf der Deponie im Norden von Hille sickert nichts mehr durch. Schon aufgrund seiner riesigen Tonschicht eignet sich das 27 Hektar große Areal für die Ablagerung der Abfälle. Die Verantwortlichen gehen aber ganz auf Nummer sicher und haben beispielsweise weitere Dichtungsschichten oder eine Kiesdrainage geschaffen. Nichts von den gelagerten Abfällen gerät in das Grundwasser. Sollte es doch dazu kommen, löst der Alarm aus – und selbst dann lasse sich das Grundwasser noch abpumpen. Das, was durch den Müll innerhalb der Deponie an Sickerwasser zusammenkommt, wird im sogenannten Flächenfilter gesammelt und über geschlossene Rohre abgeleitet.

Fotos: Klemen Misic – stock.adobe.com

Jährlich fallen rund 120.000 Kubikmeter Deponiemüll auf der Pohlschen Heide an, die als Endlager für nicht gefährliche Abfälle mit geringem organischen Anteil klassifiziert sind. Auf 50 Hektar erstreckt sich das Ausbaupotenzial. Ob das noch alles gebraucht wird? Fraglich. Denn als die Pohlsche Heide vor 31 Jahren in Betrieb ging, herrschten in der Branche noch andere Vorstellungen. Um die 300.000 Kubikmeter Müll landeten jährlich auf der Deponie – inklusive Biomüll. Alle Verantwortlichen mussten damals davon ausgehen, dass sich das Areal schnell füllt. Doch das gewachsene Umweltbewusstsein und die Einführung der Mülltrennung bremsten diese Entwicklung. Seit 1994, als der zweite Bauabschnitt in Betrieb ging, kommt man mit der bestehenden Fläche aus.
In der Müllwelt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. Noch bis 1972 waren die sogenannten Schuttlöcher erlaubt, die es nahezu in jedem Dorf gab – und in die man alles Mögliche schmiss. Abfall war lediglich Ordnungsrecht. Nach und nach hat sich dann die Gesetzeslage in der Abfallbranche verändert. 1972 trat das Abfallbeseitigungsgesetz in Kraft, das 1986 vom Abfallgesetz abgelöst wurde. Schon der Name sagt aus, dass es ab diesem Zeitpunkt auch um die Müllverwertung ging. Später folgte das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das ein weiteres Signal sendete. Denn seither geht es darum, aus dem Abfall neue Rohstoffe zu gewinnen. Dank der Forschung lasse sich immer mehr Müll zurückführen. Mit dem Projekt „Urban Mining“ hatte man im Jahr 2014 beispielsweise Rohstoffe aus bereits deponierten Abfällen auf der Pohlschen Heide gewinnen können. Und die Möglichkeiten, Müll zu nutzen, werden weiter steigen. Kommt es irgendwann einmal dazu, dass überhaupt kein Müll mehr anfällt? „Null Abfall“ – das sei ein rein theoretisches Ziel, das sich praktisch aber wohl doch niemals ganz erreichen lasse. Aber die Deponien und Entsorgungsunternehmen schaffen es mit ihrer immer ausgeklügelteren Technik und ihrer fachlichen Kompetenz immer besser, diesem Ziel doch sehr viel näher zu kommen.

Und wer weiß, was die Zukunft noch so alles bereithält. Auf jeden Fall ist Müll nicht einfach Abfall, sondern ein spannendes Feld.