Von Carsten Korfesmeyer

Im Sommer hat Paul Gauselmann seinen 90. Geburtstag gefeiert und nur wenig später angekündigt, sich als Vorstandssprecher der Merkur-Group zurückzuziehen. Damit tritt eine Unternehmer-Persönlichkeit in den Ruhestand, die über Jahrzehnte die Wirtschaft in der Region, in Deutschland und auch international mitgeprägt hat. Der Gründer des familiengeführten Automaten-Giganten beschäftigt weltweit inzwischen 15.000 Menschen und hat sich auch sozial für die Städte Espelkamp und Lübbecke stark eingebracht. Dort ist er in beiden Städten beispielsweise Ehrenbürger. News-Das Magazin hat mit Paul Gauselmann gesprochen – über ihn, das Spielen, die aktuelle Politik und wie er seinen neuen Alltag erlebt.

Herr Gauselmann, Ihr Ausstieg kam für die Öffentlichkeit plötzlich. Warum haben Sie sich entschlossen, sich zurückzuziehen?
Der Ausstieg ist natürlich auch eine Sache des Alters. Mit 90 fällt einem körperlich vieles schwerer als sonst und das muss man sich ehrlicherweise eingestehen. Insofern war es für mich ein Entschluss, der allmählich reifte. Aber ich wollte zunächst noch die 90 erreichen und mich erst dann zurückziehen. Das war dann zum 1. Oktober.

Sind Sie denn schon in ihrem neuen Alltag angekommen?
So viel hat sich tatsächlich noch nicht für mich verändert. Ich bin immer noch drei bis vier Tage pro Woche im Unternehmen – das ist allerdings deutlich weniger als früher. Ich wickele die letzten Dinge ab, mache das aber in Ruhe. Mehr als vier oder fünf Termine am Tage nehme ich nicht wahr. Meistens sind das dann Führungsgespräche.

Kann denn jemand wie Sie überhaupt in den Ruhestand treten?
Ja, denn irgendwann muss auch mal Schluss sein. Außerdem ist das Unternehmen in guten Händen und ich freue mich, die Verantwortung abgegeben zu haben. Mir ist bewusst, dass ich nichts mehr anzuweisen habe. Das heißt aber nicht, dass ich keinen Kontakt mehr in das Unternehmen habe und Empfehlungen wird es von mir noch geben. Mein Büro und das Sekretariat werde ich hier auch weiterhin haben.

Und wie ist es zu Hause?
Zu Hause wird mir nicht langweilig, obwohl dort meine Frau das Sagen hat. Ich war nur hier im Unternehmen der Chef. Von meiner Frau, die kommendes Jahr übrigens auch 90 wird, habe ich 57 Jahre lang immer guten Rat bekommen, wenn es um das Unternehmen ging. So etwas ist wichtig.

Ihre Spielautomaten stehen in ganz Deutschland und in vielen Ländern der Welt. Angefangen haben Sie mit 17 Musikboxen als Einmannbetrieb, sieben Jahre lang nebenberuflich.
Damals nach dem Krieg, den ich ja erleben musste, war der Wunsch nach Freude enorm groß. Die Menschen wollten Unterhaltung und das ist ein Markt, in dem ich mich auch heute noch sehe. Mit den ersten Musikboxen konnte man sich Lieder wünschen und die per Münze direkt vom Tisch abspielen lassen. Freude war damals sehr wichtig und ich hatte in der Zeit die Automaten in bis zu 100 Gaststätten.

 

 

Heute steht Ihr Name für die Marke Merkur und damit für Glücksspiel. Wie gehen Sie denn mit dem Thema Spielsucht um?
Das ist mir bewusst. Die Aufsicht bei uns ist aber groß und jeder, der eine gewisse Abhängigkeit vom Spielen an sich bemerkt, kann sich sperren lassen. Diese Sperre gilt dann bei allen Glücksspielangeboten. Wissen Sie, das Problem mit der Spielsucht liegt somit hauptsächlich im illegalen Glücksspiel, das vor allem im Internet bei etwa 80 Prozent liegt. Und bei uns kann man nach wie vor die kleinen Beträge einsetzen und spielen, die der Staat vorschreibt.

Was spielen Sie am liebsten?
Meine Frau und ich spielen gerne abends zusammen Streit-Patience und Rommé-Cup. Erst gestern hat sie dort gegen mich 5:3 gewonnen. Bei uns geht es aber nicht um Geld. Wir spielen um Streichhölzer. Das motiviert auch.

Sprechen wir noch über ein anderes Thema: Sie gelten als Freund der FDP. Inwieweit beschäftigt Sie das Ampel-Aus?
Die aktuelle politische Lage empfinde ich als grausam. Wir erleben Parteien, die meiner Meinung nach nicht vernünftig genug sind und mir war schon lange klar, dass sie auseinandergehen werden. Als es dann tatsächlich so weit war, habe ich das erleichtert aufgenommen und ich hoffe nur, dass es mit der neuen Regierung anders wird und dass dann nur noch zwei Parteien die Koalition bilden werden. Und das alles getan wird, dass wir nicht in den Ukrainekrieg hineingezogen werden. Russland mit unseren Waffen auf russischemBoden zu bekämpfen, halte ich für unmöglich.

Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft der deutschen Wirtschaft?
Das kann ich nur mit Ja beantworten und wenn ich allein auf unsere Umsätze blicke, spricht das sehr gegen den deutschen Standort. Wir machen 60 Prozent unserer Umsätze inzwischen im Ausland und hätten wir nicht neuerdings in fünf Bundesländern unsere Spielbanken, läge diese Zahl wohl noch sehr viel höher. Die Politik für den Wirtschaftsstandort muss einfach viel besser werden.

Wo liegt Ihrer Ansicht nach der Fehler?
Ich habe die Erfahrung gemacht: Läuft die Wirtschaft gut, kann man sich mehr erlauben. Meiner Ansicht nach hat sich die Politik in den letzten zwölf Jahren zu sehr mit anderen Themen beschäftigt – wie mit dem Sozialen. Um sich das alles aber leisten zu können, braucht es eine gute Wirtschaft mit vielen guten Arbeitsplätzen und vielen Steuereinnahmen. Daran haben die Verantwortlichen selten gedacht.

Was halten Sie davon, wenn es um die Work-Life-Balance geht?
Für mich bedeutete Arbeit immer die körperliche Arbeit. Mein Vater hat noch 54 Stunden an sechs Tagen pro Woche gearbeitet, bei mir waren es in der Ausbildung noch 48 Stunden. Heutzutage ist doch am Freitagmittag für die meisten die Arbeitswoche schon zu Ende, weil einerseits die Technik viel Arbeitskraft ersetzt hat und andererseits die Elektronik in großem Umfang geistige Tätigkeiten übernommen hat.

Sie sind im sozialen Bereich viel unterwegs. Sie engagieren sich beispielsweise im Handball, Fußball, Tennis – vor allem auch wirtschaftlich. Würden Sie einmal gefragt, was das Beste ist, was Sie den Menschen in der Region hinterlassen. Was würden Sie antworten?
Das wäre Schloss Benkhausen. Als wir das damals erworben haben, schafften wir unserem Unternehmen zwar auch ein Schulungszentrum mit 50 Betten, allerdings auch ein Areal mit wunderschönen Anlagen. Das ist ein kultureller Schatz für die Menschen der ganzen Region.

Gehen Sie noch zu den Handballspielen vom Tus-N-Lübbecke?
Früher war ich immer mit dabei, inzwischen nicht mehr. Das liegt auch an den körperlichen Einschränkungen und ich möchte mir das nicht mehr zumuten. Aber mein Interesse ist ungebrochen und ich halte mich selbstverständlich immer auf dem Laufenden und dank meines Engagements für den Tennissport haben die Herren AK 75 des TVE in diesem Jahr zum achten Mal die Deutsche Meisterschaft nach Espelkamp geholt.

Fotos: Jutta Jelinski

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