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Interview mit Mindens Kuh-Sprayer: „Ich habe die Kuh in der Grundschule das erste Mal gemalt“

Mindens Kuh-Sprayer stellt seine Werke im April das erste Mal im Kreativzentrum Anne Frank aus. Hier verrät er, wie es dazu kam und warum Graffiti keine „Schmierereien“ sind.

Sie ist am Bahnhof zu sehen, an Trafo-Häuschen und ziert so manche Bushaltestelle: Seit Jahren prägt die Graffiti-Kuh Mindens Stadtbild. Jetzt, zehn Jahre nach ihrem ersten Erscheinen, stellt der mysteriöse Sprayer seine Werke zum ersten Mal aus. Uns hat er erzählt, wie es dazu kam und wie die Kuh überhaupt entstanden ist.

Die Graffiti-Kuh ist überall in Minden und Umgebung zu sehen. Jetzt stellst du deine Werke zum ersten Mal aus. Wie kam es dazu, wer hatte die Idee?

Ich hatte die Idee schon vor ein paar Jahren, aber wie das so ist, kümmert man sich nicht und schiebt es auf, obwohl Freunde von mir die Idee auch begrüßt haben. Außerdem habe ich auch damit gerungen und mich gefragt, ob das überhaupt Sinn macht oder richtig ist, eine Arbeit, die komplett in der Illegalität stattfindet, in einen Ausstellungskontext zu überführen und womöglich sogar Werke zu verkaufen. Ich habe immer noch keine klare Antwort darauf und vielleicht gibt es die auch nicht. Auf jeden Fall kann ich mir damit nicht Stillstand in meinem Schaffen vorwerfen, und das ist schon mal positiv.

Warum hast du gerade das Anne Frank als Ausstellungsort gewählt?

Die Ausstellung sollte schon in Minden stattfinden, weil hier am meisten Interesse besteht. Was Ausstellungsflächen angeht ist die Stadt ja nicht so groß aufgestellt. Außerdem muss ich auch sehen, wie und an wen ich mich überhaupt wenden kann. Das Anne Frank Haus ist ein toller Ort, wo viel für junge und kreative Leute möglich ist. Man kann dort auch seit einer Ewigkeit legal sprühen. Und so kam dann irgendwie auch kein anderer Ausstellungsort infrage.

Wie kann man sich die Ausstellung vorstellen?

Wie jede andere Kunstausstellung auch. Man kann sich dort die Werke angucken. Bei der Vernissage gibt es ein bisschen was zu trinken und musikalische Untermalung.

Was gibt es dort zu sehen?

Mehrere Leinwände in unterschiedlichen Maltechniken, Filmmaterial, der zweite Guss von der Betonbüste und anderes.

 

Kann man deine Werke dort auch kaufen?

Ja, wer möchte, kann mir auch bestimmte Werke abkaufen.

Wird man dich dort am 6. April auch treffen?

Wenn, dann nur als alte Frau verkleidet. Zumindest werde ich mich da nicht hinstellen und sagen: „Ich bin es.“ Einfach aus den Gründen, dass ich mich mit vielen meiner Werke in der Illegalität bewege.

Die Kuh gibt es schon seit mehr als zehn Jahren. Wie ist das Motiv damals entstanden?

Ich habe die Kuh in der Grundschule das erste Mal auf Papier gemalt und nie vergessen. Als ich älter wurde und anfing, mich für Graffiti zu interessieren, musste ich ja auch irgendwas malen. Ich denke, ich habe sie dann wieder aufgegriffen, weil sie einfach war und zeitlos sympathisch auf mich wirkte, mit hohem Wiedererkennungswert.

Warum ist es gerade eine Kuh geworden? Hast du eine besondere Verbindung zu den Tieren?

Als Kind hat man alle Tiere gemalt, die man in der Realität oder auf Abbildungen gesehen hat. Die Kuh, wie ich sie dargestellt habe, hatte wohl die ästhetischste Wirkung im Vergleich zu den anderen Figuren. Heute betrachtet ist es perfekt, dass es eine Kuh geworden ist. Das Rind ist das bedeutendste Tier unserer Zeit.

Wie viele Kühe hast du bisher gesprayt?

Ich schätze mal so 250.

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Was war das Aufregendste, was du mit der Kuh bisher erlebt hast?

Sie in anderen Ländern und tollen Städten zu sprühen. Mir fällt jetzt nicht das herausstechende Erlebnis ein.

Zuletzt ist die Kuh als Beton-Skulptur aufgetaucht. Erwartet uns da noch mehr?

Generell ist es interessant, auch andere Techniken als Malerei im Streetart-Kontext auszuprobieren. Da ist jetzt aber nichts Genaues geplant.

Wird es auch noch neue gesprayte Kühe in Minden geben?

Das hoffe ich doch sehr.

Wonach suchst du den Ort für eine neue Kuh aus?

Da gibt es viele Punkte, die ich berücksichtige. Beispielweise was das für ein Objekt ist, das ich möglicherweise anmalen möchte und wie die Besitzverhältnisse sind. Den Zustand der Wand und das Material. Die Sichtbarkeit der Stelle ist auch wichtig und wie hoch sie tagsüber und nachts frequentiert ist. Außerdem interessieren mich auch Stellen wegen des Fotos, da kann der Hintergrund, aber auch das Bauwerk zum entscheidenden Faktor werden.

Graffiti finden nicht alle Leute toll. Doch bei der Kuh scheinen einige eine Ausnahme zu machen. Liegt das am niedlichen Gesicht oder woran?

Das moderne Graffiti ist ja eigentlich das Malen von Buchstaben von einem Pseudonym. Was ich mit der Kuh mache, ist dann wohl eher Streetart. Warum durchschnittliche Leute mit der Kuh oder generell figurativer Streetart mehr anfangen können als mit einem Graffitipiece, ist ganz einfach: Es fehlen beim letzteren die Berührungspunkte und das Hintergrundwissen. Bist du nicht in der Szene, verstehst du einen ausgefeilten Style gar nicht, kannst ihn nicht lesen und siehst die mögliche Ästhetik nicht. Ist das Piece einfacher gehalten und für die Person lesbar, machen die Worte für sie keinen Sinn, da sie nicht weiß, dass es sich dabei um einen bestimmten Writer oder Crew handelt. Sowas Ähnliches hat man ja auch, wenn Menschen, die, wenn es hoch kommt, einmal im Jahr ins Kunstmuseum gehen, vor einer abstrakten Malerei stehen und sich fragen, was das soll. Eine Kuh hingegen kennt jeder und findet sie dann eben lustig oder sonst was.

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Was sagst du dazu, dass Leute die Kuh oder auch andere Graffiti für Schmierereien halten?

Das ist ziemlich dumm. Dieser Begriff „Schmiererei“ hat sich irgendwie so eingebürgert, um illegale Graffitis zu benennen, aber eben auch zu diskreditieren. Man verbindet eben gleich was Negatives, wenn man dieses Wort hört. Von Medien verbreitet, findet es dann Einzug im Wortschatz des unmündigen Bürgers, der es, ohne zu hinterfragen, nutzt und sich ein Graffiti wahrscheinlich nicht mal wirklich anschaut. Ein Graffiti ist gemalt, nicht geschmiert. Manchmal besser manchmal schlechter, aber auf jeden Fall steckt eine Maltechnik dahinter, die man erlernen und verbessern kann. Außerdem macht sich ein Graffiti-Sprüher in der Regel ja auch Gedanken, was er malt.

Wäre es noch reizvoll für dich, die Kuh auf der Welt zu verteilen, wenn Graffitis legal wäre?

Ja sicher, ich mag es einfach, im öffentlichen Raum zu malen und diesen mitzugestalten. Trotzdem würde dann natürlich einiges verloren gehen, da es deutlich einfacher wäre. Die Mission fehlt dann, die das illegale Malen sicher auch interessant macht.

Das Interview führten Andrea Williams und Nadine Schwan schriftlich via Facebook.

https://www.facebook.com/The-Kuhl-Kid

www.instagram.com/thekuhlkid

Öffnungszeiten

Die Vernissage der „the kuhl kid“ Ausstellung findet am Samstag, 6. April, ab 18 Uhr statt. Die Ausstellung läuft vom 6. bis zum 12. April. Interessierte können sich die Arbeiten täglich kostenfrei zwischen 12 und 20 Uhr im großen Saal des Jugend- und Kreativzentrums Anne Frank in der Salierstraße 40 ansehen.