Er steht nicht auf große Posen, sondern auf große Worte. Statt oberflächlicher Rap-Klischees bringt Trauma – Rapper, Grundschullehrer und Familienvater aus Minden – seit fast 30 Jahren echte Inhalte auf den Takt. Jetzt steht sein zweites Soloalbum in den Startlöchern: 15 Tracks, produziert u. a. von den Hitnapperz, als limitierte Vinyl und vollgepackt mit Herz, Haltung und echter deutscher Poesie. Wir haben mit Trauma über seine musikalischen Wurzeln, die Botschaft hinter seinem Song „Farbenspiel“ und die Kraft gesprochen, die Musik in schwierigen Zeiten entfalten kann.

 

 

Dein neues Album steht in den Startlöchern – wie heißt es und was erwartet uns inhaltlich?
Es trägt den Titel „Hinterm Kosmos“. Inhaltlich geht es zum Teil um Selbstreflektion. Um Wachstum. Um Perspektivwechsel und Verarbeitung des letzten Jahres. Aber auch um universelle Dinge. Das alles fließt und alles so kommt, wie es kommen soll. Man kann andere Wege einschlagen als vielleicht vorhergesehen, aber am Ende landet man dort, wo es wahrscheinlich vorherbestimmt war – nur eben mit einem Umweg. Außerdem habe ich Themen aufgegriffen, in denen sich die Hörer gelegentlich wiederfinden können.
Insgesamt vergleiche ich das Album gerne mit einem Buch. Man sollte sich Zeit nehmen. Genießend zuhören. Wirken lassen. Drüber nachdenken. Ich glaube, wenn man sich in den Zeilen wiederfindet, kann es bereichernd sein. Man hört das Album zu Ende und denkt sich vielleicht, wow, was für ein gutes Buch.

 

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Dein Soloalbum „Die Kunst zu leben“ ist jetzt fast sieben Jahre her. Hast du dich durchgehend weiter mit der Musik beschäftigt oder hast du zwischenzeitig einfach eine Pause eingelegt?
Das letzte Album kam kurz vor der Geburt meiner ersten Tochter. Dann bekam sie meinen Fokus. Dann kam irgendwann die Pandemie. Dann fand ein Hausbau statt. Also gab es dann Familie, Haus und Arbeit. Es dauerte ein wenig, bis sich das Ganze einpendelte, sodass ich wieder Zeit sah, um Musik zu machen – die Lust oder Sehnsucht danach, Musik machen zu wollen, war fast immer existent.

 

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Du hast mit mehreren Produzenten zusammengearbeitet, u. a. mit den Hitnapperz – wie lief die Produktion ab und was macht ihren Sound für dich besonders?
Genau. Es waren Chello, Screwaholic, IllWill, Eikbert und eben die Hitnapperz am Album involviert. Tatsächlich hat den größten Teil und eigentlich auch den Grundstein des Albums Chello gelegt. Ich kenne ihn schon sehr lange und ich bin froh, dass er zu dieser Zeit diese Beats machte, die mich ansprachen und langsam die Vision reell werden ließen. Dann fehlte mir aber noch Abwechslung und trotzdem musikalisch passende Beats. Dann kamen die Hitnapperz ins Spiel – oder eher Big Toni. Er hat einfach einen riesigen Output und war somit auch der kreative Kopf bei den Produktionen. Er hockt jede freie Minute im Studio und produziert. Und all das in bester Qualität. Ricco, sein Bruder, war wiederum ein Genie beim Mixen, Arrangieren und das i-Tüpfelchen zum Sound. Zusammen sind sie, meiner Meinung nach, ein großartiges Team.

Vinyl hat in der heutigen Zeit etwas Nostalgisches – warum hast du dich entschieden, dein Album auch als limitiertes Vinyl herauszubringen?
Ich liebe einfach die Vorstellung, dass das Vinyl bei jemandem zu Hause ist und aufgelegt wird. Dass die Person das Knistern hört und gerne in Nostalgie verfällt. Dass diese Platte, vielleicht mal auf dem Dachboden landet und vielleicht ein Kind sie irgendwann wieder ausgräbt – aus Neugierde. Und dann Zugang zu dem Album finden könnte. Wie viel mehr Charme hat das im Gegensatz zur digitalen, schnelllebigen Musik, wo schnell per Knopfdruck weiter gedrückt wird. Die Platte läuft – wahrscheinlich von Anfang bis zum Ende der Seite A und dann muss man aufstehen, um sie zu wenden, damit man Seite B genießen darf. Es ist doch dann wie ein Buch, was ich eben schon meinte. Man muss einfach zuhören. Man soll genießen dürfen dabei. Reflektieren dabei. Und diese Zeit nimmt man sich eher bei einer Vinyl als lediglich beim Streaming.

 

 

Du bist schon sehr lange in der Szene aktiv. Wie hat sich Deutschrap für dich verändert – inhaltlich, stilistisch, aber auch gesellschaftlich?
Abgesehen davon, dass ich selbst schon lange aktiv bin, habe ich auch alles seit den ersten Tagen in der deutschen Raplandschaft mitbekommen. Ich denke, durch diese Vielzahl an Künstlern entsteht auch eine Vielfalt an Musik. Die Texte sind zum Teil kürzer, was aber nicht bedeuten muss, dass es dadurch inhaltsleerer ist. Jedoch bekommt man mit, was sich verkauft, und man sieht, wie viele dem nacheifern. Stilistisch gab es einen großen Wandel – wobei auch viele wieder zurück zu den Wurzeln gehen. Zumindest in Amerika hört man wieder mehr Rap durch die Boxen, wie er früher klang. Und manchmal hinkt Deutschland kurz hinterher und hier klingt es dann kurz darauf ganz ähnlich.

In der Gesellschaft ist Rap anerkannter als zu den Anfangszeiten. Da wurde man wegen den Outfits belächelt und man konnte fast niemandem erklären, was man da für Musik macht, weil ihnen Input dazu fehlte (es war fernab der Medien). Heute wächst die Gesellschaft damit auf, weil es im Radio läuft, weil die Jugend oft die Rapszene (vom Jargon) abdeckt, weil vielleicht schon der ältere Bruder, die ältere Schwester rappt. Die Berührungspunkte sind größer und schneller in der heutigen Gesellschaft zu finden.

Dein Song „Farbenspiel“ ist eine Hommage an Kinder und Vielfalt. Was war der Auslöser, dieses Thema so direkt musikalisch aufzugreifen?
Da ich als Grundschullehrer tätig bin, sehe, höre oder erlebe ich immer wieder Tagesgeschehen der Kinder. Sie schauen nicht auf die Hautfarbe und beurteilen danach das Kind. Sie spielen mit den Kindern, weil es Kinder sind. Punkt. Und während man so etwas erlebt, passiert in der Politik etwas ganz anderes. Und ich denke, da darf man sich positionieren und gegen angehen. Zeigen, dass Kinder vorbildlicher sind als Erwachsene. Urteilsfreier. Und da wir ihnen die Zukunft bahnen können, sollten wir das mit vernünftigem Menschenverstand tun. Wer, wenn nicht wir, jetzt?!

Was lief in deiner eigenen Kindheit musikalisch?
Bei meiner Mama lief eigentlich viel Radio und sie drehte lauter, wenn Reggae lief und Marvin Gaye und die 70er-Soulmusik. Mein Stiefvater hatte eine Plattensammlung, an die ich mich immer heimlich ranmachte und alles Mögliche dadurch kennenlernte. Das waren dann aber eher Genesis, Simon & Garfunkel. Und dann gab es diese eine Kassette: Grandmaster Flash & the furious Five mit dem Album „The Message“. Ich habe es gehört und konnte es keinem Genre zuordnen. Die Kassette habe ich rauf und runter gehört. Meine erste Berührung mit Rap.

Und welche Rolle spielt diese Prägung heute noch in deinem kreativen Prozess?
Also wegen dem Album „The Message“ habe ich Rap kennen- und lieben gelernt. Aber ich glaube tatsächlich, dass erst jetzt, ganz viel Einfluss von Musik bei mir stattfand – statt nur Rap. Jahrelang habe ich vielleicht Rap, Soul, Funk, Jazz gehört – aber nun seit ein paar Jahren ganz viel deutsche Musik. Poesie (wo ich über Inhalte und Sätze staune).
Ich habe viel intensiver auf Inhalte gehört, also von vielen anderen Genres, als nur beim Rap. Ich glaube, das hat meine aktuelle Platte auch noch mal geprägt, indem auch ich mich hingesetzt habe und viel bedachter Worte gesucht und genutzt habe, um auszudrücken, was ich sagen wollte.

Du hast schon mit Größen wie Laas und Curse zu tun gehabt – wie wichtig sind dir solche Begegnungen und was bleibt dir besonders in Erinnerung?
Mit Laas habe ich ja nicht wirklich zu tun gehabt – man ist zur gleichen Zeit auf Jams gewesen – umgebungsnah. Und mit Curse hab ich ja nicht lediglich zu tun gehabt, sondern wir haben (zusammen mit Stress, Italo Reno, Germany, Lord Scan) ja unsere Anfänge bei der gegenseitigen Musik begleitet. Zusammen abgehangen. Touren gemacht. Erlebnisse geteilt. In Erinnerung bleibt mir daher eigentlich jeder Moment mit den Jungs (Weserallstars).

Abschließend: Wenn jemand dein Album hört – was wäre das Schönste, das diese Person daraus mitnimmt?
Emotionen. Sowohl die, die er von mir fühlt, als auch die, die bei ihm geweckt werden. Und Worte/Sätze, die ihn bereichern – nicht nur in der Tiefe, sondern auch vom Klang, von der Ästhetik der Wörter. Und wenn jemand ein Lied in sein Herz schließt und er/sie sich damit identifizieren kann, weil es gefühlt wird, dann bin ich schon glücklich. Denn Menschen mit Musik zu berühren, ist eine wundervolle Art, mit ihnen zu kommunizieren.