Und dann war es endlich so weit: Mit einem Ruck sackte ich auf dem Stuhl zusammen, auf dem ich wenige Sekunden zuvor noch in maximaler Anspannung ausgeharrt hatte. Bestanden! Seit dem 8. Juli habe ich nun endlich die Gewissheit, dass ich ab Oktober in Sofia Medizin studieren darf. Das größte Geburtstagsgeschenk (der war dann einen Tag später) habe ich mir in diesem Jahr also quasi selbst bereitet. Zugegeben: Ich war mir diesmal schon vor Bekanntgabe der Testergebnisse ziemlich sicher, dass alles glattgehen würde. Lange genug gedauert hat es auf jeden Fall – 803 Tage, um genau zu sein.

Genau so viel Zeit ist vergangen zwischen meiner allerersten Studienberatung an der Ruhr-Universität in Bochum bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse des Eignungstests in Sofia. Medizin zu studieren, das war seinerzeit in meinen Augen immer etwas Unerreichbares – wenn ich hörte, dass selbst Freunde mit Topabitur in Deutschland keine Studienplatzzusage erhalten oder ewig lange Umwege über Freiwilligendienste und Ausbildungen in Kauf nehmen mussten. Wo soll ich mit meinem Durchschnittsabitur da anfangen? In der Schulzeit hatte ich die Medizin überhaupt nicht auf der Agenda. Ich habe zwar immer ein gewisses Interesse gehegt, mich aus oben genannten Gründen aber für eine andere berufliche Laufbahn entschieden – die, die mich unter anderem hier zur NEWS gebracht hat.

Mit Mitte 20 wollte ich es dann aber doch noch einmal wissen. Zumindest, was für Möglichkeiten es gibt – in Deutschland oder (als Ultima Ratio) im EU-Ausland, schließlich ist das für viele Westeuropäer längst kein Geheimtipp mehr. Als Nichtakademikerkind war mir der gesamte Kosmos rund um Studium und Uni ein riesiges böhmisches Dorf. So brachte allerdings die Studienberatung in Bochum etwas Licht ins Dunkel. Ich habe erfahren, über welche Quoten Studienplätze in Deutschland vergeben werden, auf welche Faktoren es an welcher Universität besonders ankommt und – für mich besonders relevant – dass es der Test für medizinische Studiengänge (kurz TMS) ist, der mir in Deutschland eine Tür öffnen könnte. Allerdings: Dieser Eignungstest gehört im Arsenal eines jeden, der in Deutschland Medizin studieren möchte, mittlerweile zum Standard. Also auch bei jenen, die die Schule mit Topabitur beenden. Ob das meine Chancen unbedingt drastisch erhöhen würde – fraglich. Vorbereitet und angemeldet habe ich mich trotzdem, angetreten bin ich allerdings nie. Denn zeitgleich wurde der Gedanke an das Studium im EU-Ausland immer präsenter in meinem Kopf. Bekannt ist heute – Bulgarien ist es geworden. Die Entscheidung pro Sofia habe ich übrigens sehr spontan getroffen, am Silvesterabend 2022. Und das, obwohl ich große wie kleine Entscheidungen in der Regel NIE spontan treffe.

Was damit einherging, war allerdings eine riesige Welle bürokratischer Angelegenheiten, die ich zwar in gewisser Weise befürchtet hatte, mir ihres Ausmaßes aber nicht wirklich bewusst war. Für den gesamten Bewerbungsprozess habe ich mir eine (bulgarische) Agentur an die Seite geholt, die mich während des „admission process“ – des Zulassungsprozesses – begleitet hat. Wer sich für ein Studium im Ausland interessiert, dem rate ich dazu. Es müssen allerhand Dokumente gesammelt, übersetzt, beglaubigt, apostilliert und (ganz wichtig) unter Beachtung der Fristen bei den entsprechenden Stellen im Ausland eingereicht werden. Dazu hier eine Unterschrift, da ein Foto im Ausweisformat, hier ein Stempel. Wer sich nicht auskennt, könnte am Ende blöd dastehen. Ich für meinen Teil war am Ende des Tages jedenfalls froh, dass ich mich zumindest um die bürokratischen Angelegenheiten jenseits der Bundesgrenze nicht selbst habe kümmern müssen.

Ich konnte mich so vielmehr auf die Vorbereitungen auf den Eignungstest stürzen, der in Sofia aus einem Chemie-, einem Biologie- und einem Englischteil besteht, denn das Studium wird hier auf Englisch abgehalten. In die finale Bewertung fließen am Ende noch die jeweils letzte Schulnote Chemie und Biologie mit ein. Das bulgarische Wertungssystem geht von 6,00 (excellent) bis 2,00 (fail). Langer Rede, kurzer Sinn: Trotz aufaddierter 17,5 von 18 in den Tests reichte es am Ende nicht für die Zulassung, denn die Chemienote aus Jahrgang 9 sollte mir hier auf die Füße fallen. Ob alles umsonst war? Heute weiß ich: Nein!

Denn glücklicherweise bietet die Medizinische Universität in Sofia (übrigens keine private, sondern eine staatliche) ein „preparatory year“ für Bewerber an. Da dies meine (wohl wirklich) letzte Chance war, ergriff ich sie zügig – und fand mich rund drei Wochen später in meiner ersten eigenen Wohnung in der bulgarischen Hauptstadt wieder. Verrückt. Ob die vermittelten Inhalte in diesem Jahr mich in meiner kommenden medizinischen Laufbahn weiterbringen oder „vorbereitet“ haben, lasse ich an dieser Stelle mal offen. Am Ende sollte jedenfalls ein Test im gleichen Format auf mich warten, den es zu bestehen galt. Chemie, Biologie und Englisch – in Summe 50 Fragen. Und was soll ich sagen: Diesmal hat es mehr als gereicht. 803 Tage lang hat es gedauert, von der ersten realen Idee ans Medizinstudium bis zur Zulassung. Mit 27. Ob das was wird? Wir werden sehen. Ich freue mich jedenfalls darauf.

Wenn Ihr diesen Text in der August-Ausgabe lest, befinde ich mich in den Sommerferien in Deutschland. Aber nicht für allzu lange, denn eins sei gesagt: Der bulgarische Sommer macht viel mehr Spaß als der deutsche – und zwar bis weit in den November hinein! Wer Fragen zum Studium, zum Zulassungsprozess, zum Leben in Sofia oder zur Stadt an sich hat – schreibt mir gerne bei Instagram. Das Profil erwacht mehr zum Leben, sobald das Studium im Oktober offiziell beginnt!

Finn Luca Zell auf Instagram: instagram.com/finnsmedjourney

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