Von Carsten Korfesmeyer

Es handelt sich um das wohl meistzitierte Werk in der deutschen Literatur und ganz sicher ist „Faust – der Tragödie erster Teil“ ein Meisterwerk internationalen Rangs, das bei Schauspielern als Königsdisziplin gilt. „Wer bei einem solchen Rollenangebot nicht Ja sagt, sucht keine Herausforderung mehr“, sagt Jürgen Morche im Interview mit News – Das Magazin. Der 68-Jährige spielt die Titelrolle in der Inszenierung, die am Freitag, 9., und Samstag, 10. August, als Freilichttheater in einem Teil des Schlossparks von Bückeburg läuft. Unter dem Sternenhimmel darf das Publikum sich auf das Werk aus der Feder von Johann Wolfgang von Goethe freuen. Beginn ist jeweils um 20 Uhr und am Donnerstag, 8. August, läuft zeitgleich die Generalprobe exklusiv als Schülervorstellung.

Jürgen, was bedeutet es dir, den Faust spielen zu dürfen?
Ich habe nicht eine Sekunde gezögert, als ich das Angebot für diese Rolle bekam. Für jeden Schauspieler ist es eine Ehre, aber natürlich auch eine große Herausforderung, diesen Charakter spielen zu dürfen. Faust ist eine jener Rollen, der du dich als Schauspieler ganz ausliefern musst. Tut man das nicht komplett, kommen die Wesenszüge dieser vielschichtig toxischen, zerrissenen und schwierigen Persönlichkeit nicht rüber.

Erwartet das Publikum ein Theaterabend voller Tragik?
Nein, voller Leben! Faust ist natürlich eine Tragödie, hat aber auch viele komödiantische Elemente. Besonders bis zur Pause. Unserem Dramaturgen und dem Regisseur war es ein großes Anliegen, Humor, Kurzweil, Drama und natürlich die großen Lebensfragen in dem Werk herauszuarbeiten. Faust ist für mich, über die Arbeit daran, eine Borderline-Persönlichkeit geworden. Mephisto wird Fausts Schwarzer Stern, dem er folgt, und Gretchen wird sein helles Licht. Die Regie hat das Werk sehr kongenial für die heutige Zeit aufgearbeitet. Die Inszenierung ist kurzweilig, aufregend, spannend.

Wie viel vom Original steckt denn in Eurer Inszenierung?
99 Prozent. Wir erleben Goethes grandiose Sprache, die für unsere Ohren aber oft auch erstaunlich modern klingt und einen Handlungsstrang, der auch in der heutigen Zeit passt. Man wird zahlreiche gesellschaftliche Parallelen erkennen können.

Satire in der ersten Hälfte, was kommt in der zweiten?
Die Gretchentragödie, so nennt man den Teil ab der Pause. Wir erleben die Eskapaden des gealterten Faust, der im Körper eines jungen Menschen steckt, aber im Geiste die Erfahrungen eines alten Menschen hat. Auch das hat satirische Qualität. Es ist eigentlich eine Lovestory – die aber leider nicht gut enden kann, wenn der Teufel im Spiel ist. Am Ende hat Faust vier Menschen auf dem Gewissen. Es ist ein Thriller.

Goethes Sprache ist besonders und man muss einen Zugang finden? Warum redete man im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert so?
Der junge Goethe versuchte sich mit seinen Freunden auch sprachlich abzugrenzen, wie es Jugendliche heute auch tun. In der damaligen Zeit waren am Theater geschwätzige französische Salonkomödien in Mode. Rebellisch schloss er sich der Gruppe „Die Empfindsamen“ an. Das war Programm. Das „Ich“ gewann an Bedeutung, sie suchten Ausdrucksformen, Emotionen, die Menschen wirklich berühren. Goethe wanderte deshalb öfter von Frankfurt nach Darmstadt zu dieser Gruppe und unterwegs sprach er viel mit sich selbst. Auf diese Weise entstanden viele Reime und ganze Gedichte.

Ihr habt das Stück schon 2023 in Lüneburg gespielt. Jetzt im Schlosspark von Bückeburg. Wie gelingt Faust als Open Air?
Gehört es nicht eigentlich dahin? „Die Empfindsamen“ deklamierten überwiegend auf einer Anhöhe in der Natur. Wir wollen unser Publikum animieren, ein fulminantes Theatererlebnis unter freiem Himmel zu erleben. Am besten unterm Sternenhimmel. Wir spielen im hinteren Teil des Schlossparks, da, wo ein Bach verläuft und so natürlich die Bühne vom Zuschauerbereich trennt. Wir spielen auf einer leichten Anhöhe unter alten Bäumen und die Zuschauer haben von der Wiese aus freie Sicht auf die drei Spielflächen. Die Örtlichkeit passt hervorragend, um den Faust’schen Weg, vom Himmel durch die Welt zur Hölle, erlebbar zu machen.

Was macht ihr bei Regen?
Auch da haben wir uns Gedanken gemacht. Eine zweite und baugleiche Bühne wird in der Schloss-Remise aufgebaut. Die hoffentlich nie bespielt werden wird. Wenn selbst der Herr im Faust mitspielt, sollte man doch hoffen dürfen, dass das Wetter gut bleibt. Da aber auch Mephisto mitmischt, – die Vorstellungen werden also auch bei schlechter Witterung stattfinden können, dann eben in der Remise.

Regie führt Gerhard Weber, Dramaturg ist Axel Schmidt-Scherer. Wie lange kennst du die beiden Theaterleute schon? Was bedeutet dir diese Zusammenarbeit?
Axel traf ich 1979 am Deutschen Theater in Göttingen, als ich zum ersten Mal als Profischauspieler gearbeitet habe. Gerhard lernte ich über Axel erst vor drei Jahren kennen. Die Chemie zwischen uns stimmt. Wir haben für unsere Inszenierung mit Gerry Hungbauer als Mephisto (er ist sicher etlichen Zuschauern bekannt aus den „Roten Rosen“), Isabel Arlt als Gretchen, Catharina Fleckenstein und Lennart Hillmann großartige Schauspieler im Ensemble. Ich liebe die intensive Zusammenarbeit mit Profis, wobei ich die Leistungen von Amateurschauspielern nicht schmäleren möchte. Ich wertschätze beides, aber die Profis sind – allein schon von ihrer Ausbildung und Herangehensweise her – ein anderes Kaliber. Sie sind Künstler, sie können dieses Spektrum aus Tragik, Humor und Satire sehr darstellungsstark spielen.

Außer euch fünf Darstellern wirken noch ein Musiker, ein Spielchor, Darsteller der Schaumburger Bühne, des Theaters JuSt und Schüler der Theater AG des Bückeburger Adolfinums mit. Was bedeutet gerade den Schülern diese Inszenierung mit der Begegnung von Goethes Faust?
Mit und über uns werden sie sicher einen ganz anderen Zugang zu Goethes Faust erleben, als es im Schulunterricht möglich ist. Für 15 Jugendliche haben wir Workshops in der Probenwoche organisiert. Sie werden viele Arbeitsbereiche eines produzierenden Theaters kennenlernen, die speziellen Berufe und Ausbildungswege vorgestellt bekommen: zum Beispiel wie werde ich Chefmaskenbildner, Intendant oder Technischer Direktor? Vier Schüler des neuen Abijahrgangs, die schon erhebliche Erfahrungen im Fach Darstellendes Spiel sammeln konnten, binden wir direkt und aktiv in die Inszenierung ein. Und auch die Generalprobe haben wir, dank einer Förderung für kulturelle Bildung Jugendlicher, exklusiv für Schüler öffnen können; selbstverständlich nicht nur für Bückeburger Schüler, sondern für Schüler unserer ganzen Region. 300 Plätze sind zu vergeben.

Aufführungen am 9. und 10. August, jeweils 20 Uhr. Einlass ist ab 19 Uhr. Das weiße Gastrozelt an der Zuwegung zum „Lilly´s“ ist der Zugang zum Zuschauerbereich. Dort befindet sich auch die Abendkasse. Bei Regen oder einsetzendem Schlechtwetter findet die Aufführung in der Remise statt oder wird dort fortgesetzt.

Weitere Informationen gibt es im Internet. www.faust-theater.de