Ein närrisches Dorf
Karneval in Ovenstädt: In dem Stadtteil von Petershagen zählt die fünfte Jahreszeit seit vielen
Jahren zum festen Ortsbild. Besonders der Rosenmontagsumzug lockt Tausende. Und in diesem
Jahr steht eine junge Prinzessin mit ihrem Hofstaat im Mittelpunkt: Anna Reckeweg.
Ihr Vater und ihre Schwestern waren schon lange
aktiv im Ovenstädter Karnevalsverein. Doch Anna
Reckeweg stand immer in der zweiten Reihe. Bis
jetzt – denn in dieser Session ist sie plötzlich
Prinzessin. Zahlreiche Pflichttermine liegen vor
ihr. Das bringt das Adelsdasein mit sich. Schon
am 1. Februar geht es los und erst am 26. Februar
ist Schluss. Dazwischen liegen Besuche von
Prunksitzungen und Karnevalspartys in Nachbarorten.
Dazu kommen dorfeigene Termine im Zelt
und beim Rosenmontagsumzug.
Ein wenig mulmig wird Anna Reckeweg (21) beim
Gedanken an den Besuch des Düsseldorfer Landtags
am 11. Februar. Dort sind alle Prinzenpaare
aus Nordrhein-Westfalen eingeladen. Glücklicherweise
sind Semesterferien. Doch am 12. Februar
schreibt die Studentin der Geschichte und
Soziologie in Bielefeld eine Klausur zum Thema
„Qualitative Methoden“. Mehr Kontrastprogramm
geht kaum. Sie wolle versuchen, beides hinzukriegen,
sagt sie.
Das sah vor einigen Jahren noch anders aus.
Warum sie nicht wie der Rest der Familie beim
Karneval engagiert war, so richtig erklären kann
sie´s nicht. Dann jedoch fragte eine Freundin von
der KTG Minden, ob sie mit ihr bei den Mindener
Tanzmariechen mitmachen mag. Sie wollte. Als
das die Ovenstädter Trainerin mitbekam, hatte
sie den Ehrgeiz, Anna für sich zu gewinnen. Und
schließlich hat sie doch noch Ja gesagt zum Karneval,
das ist mittlerweile drei Jahre her.
Seitdem ist die Studentin Mitglied der Tanzgarde,
die so etwas wie das Aushängeschild des
Ovenstädter Karnevalsvereins (OKV) ist. Aktuell
studiert die Gruppe einen Tanz zu einem Mix aus
Popklassikern ein. Die Schrittfolge haben die Teilnehmerinnen
selber entwickelt, trainiert werden
sie von Karin Schwiering.
Da braucht es doch sicher eine Menge Fitness.
„Koordination ist alles“, wiegelt Anna Reckeweg
ab. Das stimmt allerdings nur halb. In den drei
Minuten ihres Auftritts geben die Mädels in den
blau-weißen Kostümen alles. „Aus der Puste
kommt man schon“, gesteht die 21-Jährige. Das
sei vergleichbar mit einem Sprint. Nur dauert der
in der Regel keine drei Minuten. Und dann noch
die ganze Zeit lächeln? Das mag für einige Gruppen
gelten, nicht jedoch für die Tanzgarde. „Wir
sind dafür bekannt, dass wir nicht lachen.“ Einige
fänden das Dauergrinsen eher künstlich.
Künstliche Fröhlichkeit unterstellen Karnevalskritiker
gerne den Jecken. Mit Frohsinn auf Knopfdruck
habe das in ihren Augen wenig zu tun,
16 | news Februar 2020
Fotos: Alex Lehn
Ovenstädter
Karnevalsprinzessin
Anna
Reckeweg.
Foto: Alex Lehn