Von Carsten Korfesmeyer

Sport für alle – dieses Projekt aus Minden hat das Ziel, Menschen mit und ohne Behinderungen im Vereinssport zusammenzubringen. Sara Boy ist die Koordinatorin und hat den ersten Schritt bereits gemacht und die Vereine der Stadt angesprochen, ob und inwieweit sie sich an der Idee beteiligen möchten. „Die Resonanz ist ausgesprochen gut“, sagt die 31-Jährige. Corona hat allerdings den Schwung des Auftakts ein wenig ausgebremst. Jetzt steht die Erziehungswissenschaftlerin vor dem Problem, dass sie die potenziellen Sportler nur schwer erreicht. Es scheint komplizierter als gedacht, Menschen mit Behinderungen für den Sport mit Nichtbehinderten zu begeistern. Im Gespräch mit News – Das Magazin erzählen Sara Boy und Klaus Weihe von der Lebenshilfe, Mitglied der Steuerungsgruppe, woran das liegt – und wie sie das ändern möchten.

Frau Boy, dass Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen Sport treiben, ist gelebte Inklusion. Was hapert bei der Umsetzung?

In der Tat ist es so, dass wir bei den Vereinen auf eine durchweg gute Resonanz gestoßen sind. Man war sehr offen, obwohl natürlich auch die ein oder anderen Bedenken aufkamen. Fragen traten auf – beispielsweise zu barrierefreien Toiletten. Über so was muss geredet werden, aber es zeigte sich schnell, dass die Hürden weniger hoch sind als gedacht. Ich denke, die Barrieren sind mehr in den Köpfen.

Die Sie ja mit ihren Gesprächen erfolgreich abbauen konnten.

Das hat wirklich gut funktioniert und ich bin schon sehr darauf gespannt, wie es weitergeht. Manche Vereine hatten ja schon in der Richtung einiges an Erfahrung gesammelt – beispielsweise beim Aqua-Sport. Aber unser Ziel ist, auch in anderen Sportarten die Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenzubringen. Natürlich gibt es dort Grenzen, allerdings auch sehr viele Chancen. Beim Bogenschießen haben wir schon sehr gute Erfahrungen machen dürfen. Angebote gibt es inzwischen ebenfalls beim Tischtennis und bei der Hockergymnastik. Und sehr gefragt ist übrigens das Rollstuhltraining. Es ist übrigens völlig okay, wenn Menschen ohne Behinderung dabei mitmachen. 

Foto: hedgehog94 – stock.adobe.com

Herr, Weihe, es ist ja nicht wegdiskutierbar, dass Menschen mit Behinderungen im sportlichen Wettbewerb gegenüber Menschen ohne Behinderungen in aller Regel im Nachteil sind. Wie gehen Sie vor, um möglicherweise Enttäuschungen zu vermeiden? 

Wie schon gesagt, die Barrieren bestehen meist mehr in den Köpfen. Vielleicht müssen Sport und sportlicher Wettbewerb einfach nur mal anders und neu gedacht werden. Da gibt es sicherlich Wege, um Leistung anders als bisher zu definieren. 

Aber das klappt doch nicht auf Knopfdruck.

Nein, das ist sogar ein langer Prozess, der möglicherweise auch nie zu Ende geht. Ich denke, vor allem die Übungsleiter sind gefordert, dafür zu sorgen, dass beispielsweise Ängste oder Enttäuschungen gar nicht erst aufkommen. Wir können uns außerdem gut vorstellen, dass es mit Schlüsselpersonen in den Vereinen gut klappen könnte. Diese hätten etwas Verbindendes und wären auch eine Art Vertrauenspersonen für die Menschen mit Behinderung.

Frau Boy, Sie sagen, Sie hätten nicht erwartet, dass die Hemmschwelle bei Menschen mit Behinderungen so enorm ist.

Das habe ich in der Tat nicht erwartet. Womöglich hat das alles auch mit Corona zu tun, aber ich beobachte tatsächlich eine gewisse Trägheit. Vielen fehlt der entscheidende Schritt, um sich aufzuraffen und in die Vereine zu gehen. Wir müssen es irgendwie hinbekommen, für mehr Motivation zu sorgen. Der „Drive“ muss einfach her.

Wie schwer ist es denn grundsätzlich, die Menschen zu erreichen?

Auch das ist ein Problem, das wesentlich größer ist, als wir es uns zunächst vorgestellt haben. Die Menschen mit Behinderungen, die wir bereits aus unseren Einrichtungen kennen, erreichen wir zwar ohne Schwierigkeiten, doch unsere Zielgruppe ist ja noch viel breiter. Und da müssen wir ebenfalls ansetzen. Was ist mit den Menschen, die wir noch nicht kennen? Viele leben in ihren Familien, in eigenen Wohnungen und versorgen sich selbst. An die möchten wir auch herantreten und das klappt nur, indem wir für unser Projekt die Werbetrommel rühren. Dass die Nachfrage besteht, davon sind wir fest überzeugt. Man muss nur wissen, dass es diese Angebote gibt. 

Herr Weihe, das Projekt ist auf zwei Jahre befristet. Angesichts der Thematik ist das wenig. In der Zeit können Sie es doch höchstens anschieben, oder?

Die Zeit muss reichen, um es erfolgreich auf den Weg zu bringen. Alles Weitere wird sich dann zeigen. Ob es zum Selbstläufer wird, ist allerdings aus vielen Gründen fraglich. Deshalb wäre es nach meiner Ansicht schon sehr sinnvoll, wenn es in Zukunft weiter begleitet wird. Die Inklusion ist immerhin schon seit Langem gesetzlich beschlossen und deshalb eine gesellschaftliche Aufgabe, die gelöst werden muss.

Das bedeutet?

Jede Institution sollte sich die Inklusion auf ihre Fahnen schreiben. Wir stehen damit nämlich auch vor einer politischen Herausforderung. Die Politik ist gefragt, wie intensiv sie dieses Thema angeht. Darauf bin ich schon sehr gespannt. Schön wäre es beispielsweise, wenn die Vereine entsprechende Leitbilder für sich erstellen würden. Ich bin fest davon überzeugt, dass uns das gesellschaftlich bereichern wird.

 

Das Projekt:

„Minden plus. Sport und Inklusion“ ist ein gemeinsames Projekt des Sportbüros der Stadt Minden, des TSV GWD Minden e. V., dem Beirat für Menschen mit Behinderungen, der Lebenshilfe Minden und der Aktion Mensch. 

Projektkoordinatorin Sara Boy ist beim TSV GWD Minden e. V. beschäftigt und gefördert wird das Projekt durch die Aktion Mensch. Für alle Informationen steht Euch Sara Boy unter Telefon (01 73) 48 21 087 zur Verfügung. Weitere Einzelheiten und Nachrichten gibt es außerdem auf Facebook.com/Sportundinklusion