Das „gefühlte Kranzreiten“
Während der Coronazeit ist Improvisation total wichtig
Obwohl das Großevent im Mindener Stadtteil Hahlen coronabedingt ausgefallen ist, zeigt die Bevölkerung ihre emotionale Verbindung zu der Veranstaltung. Das ist auch ein Beweis für das Miteinander.
Hahlen und das beliebte Kranzreiten. 2021 möchte der dörfliche und vom Vereinsleben geprägte Mindener Stadtteil den 100ten seines jährlichen Top-Events in der Moorarena und im Festzelt feiern. Ob das was wird? Beim Kranzreiterverein hält sich die Hoffnung, doch alles bleibt ungewiss. Zurzeit lasse sich dazu leider nichts sagen, heißt es vom Vorsitzenden. Frank Weber und Kollegen wollen abwarten. Dass die Krise ihren Verein ausgerechnet zum Jubiläum trifft, finden alle jammerschade. Doch die Gesundheit geht selbstverständlich vor.
Es ist, wie es ist – doch in Hahlen hält sich die enge Verbindung der Menschen zum Kranzreiten. Zum vorletzten Wochenende des Juli haben die Einwohner ihren Ort so geschmückt, wie es zu einem ganz normalen Kranzreiten gehört. In schwarz und weiß präsentierte sich der Mindener Stadtteil und zumindest emotional stellte sich bei der Bevölkerung ein, als würde das beliebte Event tatsächlich stattfinden.
„Das war schon sehr beeindruckend“, sagt Frank Weber gegenüber news – Das Magazin. Mit vielen Menschen habe er sprechen können, die das Kranzreiten sehr vermissen. Schön sei es zu spüren, wie groß die Solidarität untereinander ist. Dass das örtliche Miteinander in Hahlen sehr ausgeprägt ist, habe das Schmücken wieder einmal deutlich gemacht. Und noch eine weitere Aktion aus dem Verein der Kranzreiter drückt aus, wie eng die Bindung mit dem Dorf doch ist.
„Wir versorgen die Linden am Dorfplatz mit Wasser“, sagt Wilhelm Rohlfing. Im Hochsommer habe sich gezeigt, dass die trockenen Sommer der Jahre 2018 und 2019 den sieben Bäumen sehr stark zugesetzt hatten. Das Laub war seinerzeit schon sehr viel stärker verfärbt als sonst zu dieser Jahreszeit. Weil auch 2020 nicht gerade von Regenmassen geprägt ist, habe der Kranzreiterverein zu einer so genannten Baumpatenschaft innerhalb seiner Mitglieder aufgerufen. Laut Wilhelm Rohlfing dauerte es dann nur eine sehr kurze Zeit, bis die sieben Patenschaften vergeben waren. Frank Meyer, Frank Weber, Tobias Hoppmann, Thomas Rohlfing, Jan Weber und Wilhelm Rohlfing kümmern sich seither um jeweils eine der sieben Linden am Dorfplatz. Philip Wilhelmy und Tobias Rethemeier teilen sich einen Baum. Die Aktion zeigt Erfolg. Das Laub zeigt sich so, wie es sonst im Oktober sein soll. Insofern habe sich die Pflege bereits ausgezahlt.
Die Wasserversorgung erfolgt nach moderner Weise – und so, wie es die Stadt Minden beispielsweise seit geraumer Zeit praktiziert: mit grünen Säcken, die am Stamm befestigt sind und die das darin enthaltene Wasser kontinuierlich abgeben. „So dass die Versorgung jederzeit optimal erfolgen kann“, sagt Jürgen Brandhorst, der sich um die Logistik der Säcke bei der Stadt Minden gekümmert hat. Etwa zwei Mal pro Woche muss nach seinen Worten nachgefüllt werden. Meist läuft das bei einem gemeinsamen Treffen der Baumpaten, bei dem Jan Weber das Wasser in einer Baggerschaufel vor Ort bringt.
Alle im Kranzreiterverein sind sich darüber einig, dass die Aktion für die Linden „auf jeden Fall eine große Wirkung gezeigt hat“. Mit dem Dorfplatz verbindet der Verein ohnehin eine ganze Menge. Dort läuft im Vorfeld das traditionelle Hufeschneiden der Pferde und dort ist auch der Treffpunkt bei der jährlichen Veranstaltung, die eine enorme Fangemeinde hat und viele Menschen aus dem weiteren Umfeld nach Hahlen holt. Denn Kranzreiten war früher weit verbreitet, ist in den meisten Orten allerdings längst ausgestorben. In Hahlen hat sich dieses Event aber gehalten und erfreut sich ungebremster Popularität.
Für die männliche Dorfjugend ist der Titel „Kranzreiterpräsident“ eine sehr hohe Auszeichnung. Die Wettbewerbe Flaschenreiten und das darauffolgende Kranzreiten sind in der Moorarena stets stark besetzt und bis die Sieger feststehen, kann es schon etliche Runden dauern. Der Ehrgeiz der meist jungen Reiter ist jederzeit spürbar. Tausende verfolgen das Spektakel, bei dem die Reiter nach dem Galgen greifen – und teils waghalsige Sprünge hinlegen. Im Verein – und nicht nur dort – freut man sich riesig, wenn es bald wieder soweit sein kann.